Die Bewohner des Gazastreifens sollten „trotz der Zerstörung und der Verwüstung“ ihre Häuser verlassen und „den Sieg des Widerstands feiern“, sagte Hanije in einer Ansprache, die in seinem Versteck aufgezeichnet wurde. „Wir sind vor einer neuen Stufe des Widerstands“, kündigte der frühere Premierminister in Gaza und heutige stellvertretende Leiter des Hamas-Politbüros an.
„Israels Bodenoffensive war eine Mitteilung über das Scheitern des Feindes und ein Beweis, dass er seine Ziele nicht durch die Luftbombardements erreicht hat“, zitiert die israelische Tageszeitung „Ma‘ariv“ aus der Rede. „Der Widerstand hat es geschafft, mit Heldenmut die zionistische Tötungsmaschinerie aufzuhalten.“ Die Widerstandsgruppen fügten dem Feind Schaden zu, in Tel Aviv und darüber hinaus. „Sie schaden dem Feind unter der Erde und fügen ihm eine große Zahl Tote zu, auf die er nicht vorbereitet war. Der Feind hat versucht, das palästinensische Volk zu zerbrechen, aber er ist gescheitert und hat es nicht geschafft, sein Ziel zu erreichen. Unsere Kämpfer haben bewiesen, dass Gaza ein Friedhof für Eroberer ist.“
Hanije wiederholte auch die Bedingungen der Hamas für eine Feuerpause: „eine Unterbrechung der Aggressivität, eine Aufhebung der Blockade und die Freilassung der Häftlinge aus dem Schalit-Deal“. Diese Forderungen sollten auch für Ägypten logisch sein. Der Hamas-Führer kritisierte die arabischen und islamischen Staaten wegen ihres Schweigens angesichts der Krise im Gazastreifen.
Bemühungen um Feuerpause
Derweil bemühen sich internationale Vertreter weiter um eine Feuerpause. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und US-Außenminister John Kerry sind zu diesem Zweck am Montagabend in die ägyptische Hauptstadt Kairo gereist. Ban forderte eine sofortige Waffenruhe mit anschließendem Dialog zwischen Israel und den militanten Palästinensern, wie die Deutsche Presse-Agentur meldet. Gaza sei „eine offene Wunde“, bei der ein Heftpflaster nicht ausreiche. Ban wird am heutigen Dienstagnachmittag in Tel Aviv erwartet. Er plant Treffen mit palästinensischen und israelischen Politikern in Ramallah und Jerusalem.
Kerry sagte laut der Online-Zeitung „Times of Israel“, eine langfristige Feuerpause müsse Rahmenthemen ansprechen. „Nichts wird durch irgendeine Feuerpause, ob vorübergehend oder lang, gelöst, ohne dass man irgendwann zu diesen Themen gelangt, und das müssen wir tun.“ Am Dienstag traf er mit dem ägyptischen Außenminister Samih Schukri zusammen. Anschließend erklärte dieser, dass Ägypten an seinen Vorschlägen für eine Waffenruhe festhalte. Die Hamas hatte bereits vor einer Woche eine von Ägypten vermittelte Feuerpause, der Israel zustimmte, abgelehnt (Israelnetz berichtete).
Der britische Premierminister David Cameron stellte am Montag im Londoner Parlament klar, dass aus seiner Sicht die Hamas die Verantwortung für den Tod der palästinensischen Zivilisten trage. Israel sei durch die Organisation einem beispiellosen Raketenbeschuss ausgesetzt und habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Die Hamas müsse einer Waffenruhe zustimmen.
In der katarischen Hauptstadt Doha berieten der palästinensische Präsident Mahmud Abbas und der Leiter des Hamas-Politbüros, Chaled Masch‘al, ebenfalls über eine mögliche Feuerpause.
Beerdigung mit 20.000 Trauernden
Seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen am Donnerstagabend sind 27 Soldaten und zwei israelische Zivilisten ums Leben gekommen. Ein Armeeangehöriger wird vermisst, gilt aber als tot. In der Nacht zum Dienstag griffen die Truppen erneut Ziele der militanten Gruppen in einem Stadtteil von Gaza, Sadschaija, an. Dabei starben zehn Terroristen, einer trug einen Sprengstoffgürtel, schreibt die israelische Tageszeitung „Yediot Aharonot“. Bislang wurden 28 Terrorverdächtige in Gewahrsam genommen. Die Zahl der getöteten Palästinenser in den vergangenen zwei Wochen betrug nach palästinensischen Angaben am Dienstagmittag 583. Darunter sind der Armee zufolge 186 Terroristen. Zudem erlitten 3.640 Palästinenser Verletzungen.
Eine palästinensische Rakete schlug am Dienstag in einem Haus in der israelischen Stadt Jehud ein. An dem Gebäude entstand erheblicher Sachschaden. Palästinenser hatten mehrere Geschosse auf den Großraum Tel Aviv abgefeuert. Fünf Menschen wurden bei der Angriffswelle verletzt.
Mehr als 20.000 Menschen nahmen am Montag an der Beisetzung von Unteroffizier Sean Carmeli aus Texas in Haifa teil. Der amerikanische Jude absolvierte einen freiwilligen Militärdienst bei der Golani-Brigade. Er lebte ohne Angehörige mit dem Status „einsamer Soldat“ in Israel. Nach seinem Tod bei den Kämpfen in Gaza rief sein Lieblingsfußballverein Maccabi Haifa die Fans dazu auf, zu der Beerdigung zu kommen. „Sean Carmeli war ein einsamer Soldat, und wir wollen nicht, dass seine Bestattung ohne Menschen ist“, hieß es in dem Aufruf. „Kommt und erweist den letzten Respekt einem Helden, der getötet wurde, damit wir leben können. Das ist das Letzte, was wir für ihn und unsere Nation tun können.“ Maccabi-Fans und viele andere Israelis folgten dem Aufruf.
Verwundete Palästinenser in Israel versorgt
Das israelische Krankenhaus Tel HaSchomer bei Tel Aviv nahm indes verwundete Palästinenser aus dem Gazastreifen auf. Ein Mann und seine Ehefrau wurden ebenso wie ein 14-Jähriger mit mittelschweren Verletzungen in die Klinik gebracht. Auch ein leicht verwundetes sechsjähriges Mädchen kam zur ärztlichen Behandlung nach Tel HaSchomer. Verletzte Palästinenser werden zudem in einem am Sonntag an der Grenze zum Gazastreifen errichteten Feldkrankenhaus der Armee versorgt (Israelnetz berichtete).