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„Wir waren Sklaven Pharaos“

Unter dem Namen „Ostfriesland-Haggadah. Kunst zum jüdischen Pessach-Buch“ ist am Montag eine Wanderausstellung in der Knesset eröffnet worden. Gegenstand der Ausstellung ist die Pessach-Haggadah, das Buch, das seit Jahrhunderten an jedem Pessachabend in jüdischen Familien gelesen wird.
Der Künstler Ricardo Fuhrmann stellt in der Knesset seine "Ostfriesland-Haggadah" aus.

Die Ausstellung wurde maßgeblich von der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft (DIG) Ostfriesland mitgefördert. Der anwesende Botschafter Andreas Michaelis sowie Knessetmitglied Nachman Schai haben die Schirmherrschaft inne.
Die Haggadah soll Kinder lehren, was es mit dem Auszug aus Ägypten auf sich hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es in Deutschland kaum Neuschöpfungen der Haggadah gegeben. So sei es ein Traum der beiden jüdischen Argentinier Ricardo Fuhrmann und Daniel Jelin gewesen, eine eigene Haggadah zu schaffen. Beide Künstler leben heute in Ostfriesland, der Heimat ihrer Vorfahren, bevor diese zu Beginn des Zweiten Weltkriegs vertrieben wurden.

Jüdisches Leben „am Ende der Welt“

Bei der Erstellung des Werkes orientierten sich Fuhrmann und Jelin an einer traditionellen Methode des Torah-Studiums, der sogenannten Chawruta: Dabei sitzen sich zwei Lernende gegenüber und erschließen sich die jeweilige Textstelle, in dem sie über diese diskutieren beziehungsweise externe Kommentare heranziehen. So ähnlich seien auch die Pessach-Werke der Ostfriesland-Haggadah entstanden: Beide Künstler arbeiteten gemeinsam am einzelnen Werk. Zugleich, abwechselnd, diskutierend. Als Grundlage des Dialoges diente immer die jeweilige Textstelle der Haggadah.
Fuhrmann sagt: „Ostfriesland liegt gewissermaßen am Ende der Welt und ich bin dankbar, dass dies der Ort ist, wo die Ausstellung entstehen konnte. Nicht im schicken Berlin und nicht im reichen München, sondern dort, wo es seit dem Zweiten Weltkrieg keine jüdische Gemeinde mehr gibt.“

Die vier Söhne

Das Lieblingswerk Fuhrmanns ist „Die beiden Söhne“: „In der Haggadah wird berichtet, dass es vier verschiedene Arten von Söhnen gibt: der eine ist weise, der andere böse, der nächste einfältig und einer versteht nicht zu fragen. Alle vier Eigenschaften stehen für die Einstellungen und Haltungen, die jeder von uns in sich trägt.“ Unter zwei Köpfen, welche die unterschiedlichen Haltungen der Söhne darstelle, habe er deshalb im Stempeldruck viele hebräische Buchstaben angebracht, die zeigen sollen, „dass der Sohn nicht zu fragen versteht“. Ob der Sohn nicht fragt, weil er keine Ahnung von der Geschichte des Exodus hat, ob er nicht fragt, weil ihm alles egal ist, oder er noch nicht zu fragen versteht – die Erklärungen in der jüdischen Tradition gehen weit auseinander.

Ausstellungseröffnung in der Knesset

An der Ausstellungseröffnung nahmen etwa 80 Gäste teil, darunter Politiker und etwa 30 Reisende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Außerdem waren der Sohn des letzten Emdener Landrabbiners Samuel Blum, Eliahu Blum, sowie Schulamith Jaari-Nussbaum, die Cousine des norddeutschen Malers Felix Nussbaum, der im August 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, anwesend.
Der Vorsitzende der Freundesgruppe des Israelisch-Deutschen Parlamentes, Nachman Schai, betonte in seiner Rede, dass Kunst und Kultur wichtige Brücken bauten, um Verständnis für das Gegenüber zu wecken. An den deutschen Botschafter Michaelis gewandt sagte er: „Wir sind darum bemüht, unsere Zusammenarbeit zu verbessern und werden hoffentlich in Zukunft noch mehr dafür tun, um einander zu verstehen.“
Der Präsident der DIG, Reinhold Robbe, merkte an, dass dieser Tag nicht nur für den ausstellenden Künstler ein besonderer Tag sei, sondern auch für die deutsch-israelischen Beziehungen. Vor wenigen Jahrzehnten noch sei es für ihn undenkbar gewesen, einmal mit so vielen Ostfriesen und Vertretern deutscher Stiftungen in Israel zusammenzukommen. „Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind heute exzellent. Im kommenden Jahr begehen wir das Jubeljahr der deutsch-israelischen Beziehungen. Die Haggadah-Ausstellung ist ein wunderbarer Auftakt dazu.“ In ihr stecke sehr viel Symbolik und sie sei gut dazu geeignet, das einzigartige Verhältnis beider Staaten in das Bewusstsein der Bevölkerung in Israel und Deutschland zu bringen.
Wolfgang Freitag, Vorsitzender der DIG Ostfriesland, äußerte den Wunsch, dass durch die Ausstellung Israelis sehen würden, dass Juden trotz der schlimmen Geschichte wieder verstärkt bereit seien, in Deutschland zu leben.
Die Ausstellung wird bis zum 19. Mai 2014 in der Knesset gezeigt, danach ist geplant, eine gedruckte „Ostfriesland-Haggadah“ zu erstellen.

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