Die Linguistikprofessorin Monika Schwarz-Friesel von der TU Berlin spricht von „antisemitischen Klischees, die im Gewand des Anti-Israelismus auftauchen“. Man müsse auch nicht das Wort Jude benutzen, um sich antisemitisch zu artikulieren. Ferner beobachtet sie: „Wenn Behauptungen als Fakten dargestellt werden, so sind sie Legitimierungsstrategien der Antisemiten seit über 200 Jahren.“
Die Forscherin fährt fort: „Wir erleben tagtäglich sehr scharfe, sehr harsche Kritik an Israel, und wenn sie nicht in die alten Strategien des Antisemitismus verfällt, dann kommt auch niemand, auch nicht aus der Antisemitismusforschung, auf die Idee, dies antisemitisch zu nennen. Aber es gibt eben Menschen, die obsessiv sich auf Israel fixieren. Und das sind leider nicht nur Rechts- oder Linksextremisten, sondern, wie wir in unserer Forschung gezeigt haben: Antisemitismus war und ist immer auch ein Phänomen der Mitte. Also, Bildung schützt nicht vor Antisemitismus. Das wäre ein Vorurteil.“
Zu diesem Ergebnis kam die Linguistin durch die Untersuchung von über 100.000 E-Mails, Leserbriefen und Texten aus dem Internet mit antisemitischem Inhalt und anti-jüdischen Klischees. Die überwiegende Mehrheit der Verfasser gehöre keinem extremen Lager an, sondern sei in der Mitte der Gesellschaft zu finden.
Schwarz-Friesel verwendet den Begriff der “Täter/Opfer-Umkehr“. Das bedeute: „Israelis (die Juden) werden plötzlich zu Tätern stilisiert. Die Antisemitismusforschung spricht hier von ‚Verbal-Antisemitismus‘, bei der alte Klischees und Ressentiments benutzt werden, um Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren.“
Unterscheidung zwischen Fakten und Meinung
Der Göttinger Professor Samuel Salzborn erklärt unmissverständlich: Zwischen Fakten und Meinung müsse man unterscheiden. „Das Kritisierte muss an Fakten gemessen werden können. Tut man dies nicht, übt man keine Kritik, sondern äußert eine unreflektierte Meinung. Und der Übergang von Meinung zum Ressentiment, von dem sich Kritik abgrenzen müsste, ist fließend.“
Der Politikwissenschaftler fährt fort: „Der Ausgangspunkt aller Diskussion über Kritik an Israel kann doch nur sein: Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten, die seit ihrer Gründung ununterbrochen angegriffen wird und sich gegen die Angriffe verteidigt – wie jede andere Demokratie dies auch tut oder tun würde.“
Diskriminierung wegen Religion oder Volkszugehörigkeit
Die Forscher stellen übereinstimmend fest: „Der Begriff Antisemitismus wird heute nicht mehr auf die religiöse Diskriminierung beschränkt. Das ist im Sprachgebrauch längst nicht mehr der Fall. Heute wird darunter die pauschale Verunglimpfung der Juden als Ethnie und der Israelis als Volk verstanden.“
Publizierte einseitige Sätze wie „Die Israelis sind schuldig in jeder Hinsicht!“ richten sich undifferenziert gegen Israel, den Judenstaat. Auf den Internetseiten rechtsextremer Blogs wird nicht zwischen Israel und Juden unterschieden. Zur Gewaltbereitschaft warnt der Bielefelder Professor Andreas Zick, der sich auch „Vorurteilsforscher“ nennt: „Antisemitismus, auch wenn er nur latent ist, bleibt immer Wegbereiter vom Wort zur Tat.“
Der Soziologieprofessor Werner Bergmann von der TU Berlin stellt fest: „Antisemitismus ist eine antimoderne Weltanschauung, die in der Existenz der Juden die Ursache aller Probleme sieht.“
Der arabische Israeli Ali Ahmad Mansur, der in Tel Aviv studiert hat und in Berlin als Streetworker arbeitet, erklärte in seinem Interview mit Israelnetz: „Im Nahostkonflikt wird ein Bild vermittelt, das sehr schwarz-weiß ist: Die Palästinenser sind immer die Opfer, Israelis und Juden – meist wird nicht unterschieden – immer die Schuldigen.“ Islamistischer Antisemitismus in Deutschland und Nahost spiegele sich unter anderem durch ein falsches Israelbild in den Schulbüchern wider. Bei Gesprächen mit Jugendlichen stelle er fest, „dass in vielen muslimischen Familien bis jetzt Judenhass vorgelebt würde – häufig gestützt von arabischen Fernsehsendern, die ihre antisemitischen Kampagnen weltweit verbreiten“. Mansur ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und Berater bei der „European Foundation for Democracy“.
Der Botschafter des Staates Israel in Berlin, Yaakov Hadas-Handelsman, bringt es auf den Punkt: „Kritik an Israel ist legitim, aber sie muss konkret und darf nicht obsessiv sein. Wissen Sie, von wem Israel tagtäglich am meisten kritisiert wird? Von den Israelis!“