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Streit im nahöstlichen Kindergarten

JERUSALEM (inn) – Bei den geheimen Friedensgesprächen in einem Jerusalemer Hotel kam es am Dienstag zum „handfesten Streit“. Die vier ständigen Verhandler, Zippi Livni und Anwalt Jitzhak Molcho für Israel, Saeb Erekat und Muhammad Schtajjeh für die Palästinenser, hätten sich nur angeschrieen und keinen Augenblick über die Verhandlungsthemen gesprochen.
Auch in der Stadt Ariel entstehen neue Wohneinheiten – die Pläne dazu sind jedoch nicht neu.

Die Palästinenser sprachen von einer schweren „diplomatischen Krise“ und drohten mit einem Abbruch der Verhandlungen. Das alles wurde in Ramallah verlautbart, während sich der einzige selbsternannte Sprecher für die Friedensgespräche, US-Außenminister John Kerry, noch auf der Anreise nach Jerusalem und Ramallah befand. Bisher hatten sich beide Seiten an das abgesprochene Stillschweigen gehalten.
Gerüchte über ein Scheitern der Gespräche hat es schon mehrfach gegeben, etwa nachdem israelische Soldaten in die Flüchtlingslager Dschenin im Westjordanland und Schuafat in Jerusalem eingedrungen waren, um Verdächtige festzunehmen. Dabei waren schwere Unruhen ausgebrochen und mehrere Palästinenser nach Schusswechseln mit den Soldaten getötet worden. Doch die Gerüchte stellten sich als falsch heraus.
Diesmal wirkt die Krise ernster. Die Palästinenser sind empört über das israelische Junktim der abgesprochenen Freilassung von Alt-Gefangenen aus der Zeit vor den Osloer Verträgen von 1993 und der Verkündung von Bauplänen in Siedlungen im Westjordanland.
Die Palästinenser halten es für eine israelische „Pflicht“, alle Gefangenen freizulassen, weil sie „legitime Widerstandskämpfer“ und „Helden“ des palästinensischen Kampfes seien. Wegen der emotionalen Bedeutung dieser Gefangenen für die palästinensische Gesellschaft hatte Präsident Mahmud Abbas deren Freilassung zur Bedingung für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche gemacht. Die Amerikaner stimmten zu und übten Druck auf Premierminister Benjamin Netanjahu aus, dem statt zu geben.
In Israel jedoch löst jede Phase der abgesprochenen Gefangenen-Amnestie genauso Emotionen aus. Denn bei den Gefangenen handelt es sich um „Männer mit Blut an den Händen“, die vor über zwanzig Jahren abscheuliche Morde an israelischen Zivilisten verübt haben. Einige Mordtaten sind in frischer öffentlicher Erinnerung geblieben. Die Angehörigen der Mordopfer erhielten in den israelischen Medien viel Aufmerksamkeit. Es kam zu Demonstrationen und schwerer Enttäuschung, dass der US-Außenminister sich weigerte, diese Angehörigen zu treffen.

Alte Siedlungspläne immer wieder auf dem Tisch

Wohl nicht ganz zufällig wurden zeitgleich mit der Freilassung Baupläne für 1.500 Wohnungen im Jerusalemer Viertel Ramot Schlomo, 860 Wohneinheiten in Siedlerstädten wie Ariel und Betar Elit sowie die erste Planung für 1.400 neue Wohnungen in isolierten Siedlungen wie Schiloh und Almog veröffentlicht. Erstere Pläne sind keineswegs neu und haben schon 2010 zu einer Krise mit den USA geführt, weil das Innenministerium sie während des Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden als Ausschreibung veröffentlicht hatte.
Baupläne der Regierung müssen in jeder Phase öffentlich ausgeschrieben werden. Deshalb kommt es alle paar Monate oder Jahre zu neuer internationaler Aufregung, auch wenn es sich um längst bekannte Pläne handelt. Denn nach der ersten Planung müssen die gleichen Wohnungen für den Bau, für die Infrastruktur, für die Innenausstattung und schließlich für die Übergabe immer wieder neu ausgeschrieben werden. So entsteht der Eindruck, als würde Israel Zehntausende neue Wohnungen errichten.
Die jüngsten Ankündigungen zum Wohnungsbau in bestehenden Siedlungen habe Netanjahu laut Medienberichten hervorgehoben, um die israelischen Rechten und besonders die Siedler wegen der Gefangenenfreilassung zu besänftigen. Gleichwohl waren die meisten Mordopfer keine Siedler, sondern „normale“ Israelis.
Diesmal brachte die Verknüpfung von Gefangenenfreilassung und Siedlungsbau die Palästinenser besonders in Rage. Israel hatte den Eindruck erweckt, als müssten die Palästinenser für jeden Gefangenen einen nachträglichen Preis in Form von Siedlungsbau zahlen. Der ohnehin schwache und seit 2009 nicht mehr demokratisch legitimierte Präsident Abbas geriet deshalb ins Kreuzfeuer der Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, wegen der Gefangenen die israelische Siedlungspolitik hingenommen zu haben. Abbas wurde aufgefordert, nicht nur die Friedensgespräche abzubrechen, sondern zurückzutreten.
Unvorhergesehen wird Kerry nicht nur über Grenzen, Jerusalem und Sicherheitsfragen mit den Verhandlungspartnern reden, sondern auch noch einen innerpalästinensischen Machtkampf beschwichtigen müssen, um die Friedensverhandlungen vor dem Zusammenbruch zu retten.

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