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„Antworte uns!“

JERUSALEM (inn) – Der Versöhnungstag, Jom Kippur, markiert das Ende der zehn hohen Feiertage zu Beginn des jüdischen Jahres. Mit diesem Tag geht auch die Zeit der Slichot, der jüdischen Bußgebete, zu Ende. Zum letzten Bußgebet kamen am Freitagmorgen viele Gläubige in den Synagogen im ganzen Land zusammen. An der Klagemauer in Jerusalem versammelten sich zudem mehr als 20.000 Menschen.
Zum letzten Bußgebet kamen am Freitagmorgen etwa 20.000 Menschen an die Klagemauer.

Der Oberrabbiner von Safed, Schmuel Eljahu, leitete am Freitagmorgen mit einer kurzen Rede das letzte Bußgebet ein. Neben mehreren Knessetmitgliedern nahm auch der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, an der Veranstaltung teil. An eine Wand neben der Westmauer wurde die Zeremonie projiziert.

Wer sich einen Platz an der Klagemauer sichern wollte, hatte schon am frühen Donnerstagabend kommen müssen. Auf dem großen Platz vor der Klagemauer waren Trennwände aufgestellt, welche die räumliche Trennung zwischen Männern und Frauen möglich machen sollten. Der Platz war allerdings so mit Menschen überfüllt, dass an diesem Tag niemand auf die Einhaltung dieser Regelung bestand.

„Gott, der du auf dem Gnadenthron sitzt, antworte uns.“ Mit den Bußgebeten soll das Gleichgewicht zwischen der menschlichen Seele und Gott wieder hergestellt werden. Die Gebete werden nicht in der hebräischen Bibel erwähnt. Ursprünglich war die Liturgie lediglich für den Versöhnungstag bestimmt. Im Mittelalter entwickelte sich dann über Jahrhunderte die Tradition, die Gebete auf die Tage vor dem Versöhnungstag auszuweiten. Der jüdische Neujahrstag gilt als Tag des Gerichts, die Tage zwischen dem Jahresbeginn und dem Versöhnungstag gelten als Bußtage.

Junge Leute sind interessiert

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich in den unterschiedlichen Regionen verschiedene Traditionen entwickelt. Sephardische Juden verrichten die allnächtlichen Gebete meist ab dem zweiten Tag des Monats Eilul. Das ist der letzte Monat im jüdischen Kalender. Aschkenasen dagegen beginnen meist erst am Schabbatabend vor dem jüdischen Neujahr. Weil der Beginn des Tages im biblischen Denken am Vorabend eines Tages beginnt, finden am Freitagabend keine Bußgebete statt. Denn der Schabbat ist ein Grund zur Freude. In vielen Synagogen beginnen die Gebete bereits um kurz nach Mitternacht, in anderen um vier Uhr morgens.

Die Ausführung der Zeremonie dauert in etwa eine Stunde. In den letzten Jahren nahmen auffallend viele junge Leute an den Gebeten teil. Der Ablauf erfolgt im Wechsel zwischen stillem Flehen und lauten Bittgebeten und wird ab und an durch das Blasen des Schofarhorns unterbrochen. Große Teile der Liturgie übernimmt der Chasan, der Vorbeter der Synagoge. Andere Teile werden von verschiedenen Gemeindemitgliedern gesungen, die dann häufig von der restlichen Gemeinde wiederholt werden.

Auch an der Klagemauer wechselte sich der Chasan mit der Gemeinde ab. Und selbst nachdem die „offiziellen“ Slichot beendet waren, ließen es sich ganze Gruppen von jungen Leuten nicht nehmen, ihre eigenen Slichot für sich durchzuführen.

Alt, aber nicht verstaubt

Die Slichot weisen bereits eine mehr als tausend Jahre alte Tradition auf – dass sie keineswegs verstaubt ist, belegt die Tatsache, dass in diesem Jahr zur Zeit der Bußgebete mehr als eine halbe Million jüdische Touristen aus Israel und aller Welt an die Klagemauer kamen. Besonders in den vergangenen Tagen, zu Ende der Slichot, kamen vermehrt sowohl gläubige Juden als auch Touristen aus ganz Israel nach Jerusalem, um die Slichot zu begehen. Mehrere Busse kamen etwa aus Tiberias, die Besucher nahmen abends um 22:00 Uhr ihr Essen auf dem Ölberg ein und genossen den Ausblick auf die beleuchtete Altstadt, bevor sie sich später zum Gebet auf den Weg zur Klagemauer machten.

Auch die über hundert kleinen Synagogen im Jerusalemer Viertel Nachlaot sind ein beliebtes Reiseziel. So nutzten auch viele säkulare Juden, Schulklassen und Soldaten im Grundwehrdienst zur Zeit der Slichot die Möglichkeit, einen Ausflug in die heilige Stadt zu unternehmen. (mh)

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