Weil sich die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und dem besetzten Dänemark in den Monaten davor verschlechtert hatten, ließ Adolf Hitler den Botschafter Cecil von Renthe-Fink ablösen und schickte SS-Obergruppenführer Werner Best als Botschafter nach Kopenhagen. Best hatte zuvor in Frankreich die Deportationen der Juden nach Auschwitz mitorganisiert. Nachdem er aus Berlin die Anweisung erhalten hatte, auch in Dänemark die „Juden- und Freimaurerfrage“ umgehend zu lösen, unterrichtete er am 11. September Georg Duckwitz, den Schifffahrtsspezialisten an der Botschaft. Dieser gab unter Bruch der Geheimhaltung die Information an die Führung der dänischen Sozialdemokraten weiter, dem späteren Ministerpräsidenten Hans Hedroft. Dieser wiederum informierte die jüdischen Gemeinden.
Dänen helfen bei der Flucht
Die deutschen Pläne machten die Runde. Christliche Dänen haben fast alle rund 8.000 in Dänemark lebenden Juden versteckt, während der dänische König Christian X., so die Legende, mit einem gelben Judenstern an der Brust, durch die Straßen Kopenhagens geritten sei. Forscher behaupten, das sei ein Mythos. Wahrscheinlich geht die Geschichte auf ein Gespräch des Botschafters Best mit dem dänischen Ministerpräsidenten Erik Scavenius zurück, dem er mitteilte, dass auf Weisung Berlins alle Juden den gelben Stern tragen müssten. Der Däne antwortete, dass sich in dem Fall alle Dänen, auch der König, den Stern an die Brust heften würden. Die Deutschen ließen daraufhin die Forderung fallen.
Ab der Nacht zum 1. Oktober war es dann soweit. Etwa 7.000 Juden bestiegen heimlich Fischerboote und wurden unter stinkenden Fischernetzen gut versteckt über die Meerenge von Kattegat nach Schweden gebracht. Während der dreiwöchigen Rettungsaktion riefen Pastoren von den Kanzeln ihrer Kirchen dazu auf, den Juden zu helfen. Die Universitäten blieben geschlossen, damit die Studenten als Fluchthelfer dienen könnten.
477 dänischen Juden gelang die Flucht nicht. Sie wurden gefasst und in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt.
Gedeuteter „Erfolg“
Botschafter Best funkte nach Berlin, dass das „sachliche Ziel der Judenaktion in Dänemark die Entjudung des Landes war, und nicht eine erfolgreiche Kopfjagd“. Deshalb müsse festgestellt werden, „dass die Judenaktion ihr Ziel erreicht hat. Dänemark ist entjudet“. Doch die Diplomaten im Auswärtigen Amt waren mit diesem Ergebnis nicht zufrieden. Der Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, hatte bei seinem Verhör 1961 in Jerusalem immer noch kein Verständnis für das „Versagen“ Bests in Dänemark.
Nach dem Krieg hat Duckwitz im Auswärtigen Amt in Bonn Karriere gemacht und wurde unter Willy Brandt Staatssekretär. Die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte ihn als „Gerechten der Völker“. Ein Baum zu seinen Ehren steht in der „Allee der Gerechten“ in der Nähe eines Baumes für Oskar Schindler, der ebenfalls Hunderten Juden das Leben gerettet hat.
Kritik an alliierten Mächten
Rafael Medoff, Leiter des „David S. Wyman Institut für Holocaust-Studien“ in Washington, hat in der Online-Zeitung „Algemeiner“ einen längeren Artikel zu dem Jahrestag veröffentlicht. Dabei vergisst er zu betonen, dass auch heute noch Menschen vor dem Gastod gerettet werden könnten, wenn es dazu den Willen bei den Alliierten gäbe. Er zitiert stattdessen ausführlich aus einer Rede von Leon Henderson, einem Berater von US-Präsident Franklin Delano Roosevelt.
Am 31. Oktober 1943 erklärte Henderson in New York bei einer Feier aus Anlass der gelungenen Rettungsaktion: „Die Regierungen der Alliierten haben sich einer moralischen Feigheit schuldig gemacht. Die Frage der Rettung des jüdischen Volkes von Europa ist vermieden, ertränkt, heruntergespielt, verschwiegen und mit aller verfügbaren politischen Kraft weggeschoben worden … Dänemark und Schweden haben die Tragödie der Unentschiedenheit der Alliierten bloßgelegt … Die Dänen und die Schweden haben uns den Weg gezeigt … Falls dies ein Krieg der Zivilisation sein sollte, ist es an der Zeit, zivilisiert zu sein.”