Suche
Close this search box.

Wie Israel die Ereignisse in Ägypten sieht

JERUSALEM / KAIRO (inn) – Die Berichterstattung in Israel über die Vorgänge in Kairo ist hautnah. Zwei israelische Korrespondenten halten sich vor Ort am Tahrir-Platz auf und berichten stündlich per Telefon. Die Entwicklungen wurden im Minutentakt und mit viel persönlicher Expertise der Moderatoren, Ex-Geheimdienstchefs und Reporter durchgegeben.
Die israelischen Korrespondenten berichten direkt vom Tahrir-Platz über die Vorgänge in Ägypten.

Als aus Kairo am Mittwochabend plötzlich Panzer auf der „Brücke des 6. Oktober“ gemeldet wurden, konnte der Moderator aus eigener Kenntnis sofort einschätzen: „Das ist ein Putsch, wenn Panzer so nahe am Tahrir-Platz stehen.“ Immer wieder wurden bei Fernsehen und Radio die Programme unterbrochen, um wieder neue Details zu übermitteln.
Die israelischen Reporter, darunter der in Berlin residierende Korrespondent der Zeitung „Yediot Aharonot“, Eldad Beck, berichteten mit viel Empathie für Ägypten. Sie bemühten sich, die Ereignisse zu verstehen, auch „wenn wir fast keine Information verifizieren können“, so Oded Granot, einer der Arabienexperten. Unverständlich war zunächst, wieso die erst am Abend auch in Israel live ausgestrahlte Erklärung des Generals Abdel-Fatah el-Sisi stundenlang auf sich warten ließ oder wo der abgesetzte Präsident Mohammed Mursi festgehalten wurde, nachdem die Präsidentenwache ihn „zu seiner eigenen Sicherheit“ aus dem Präsidentenpalais „entfernt“ hatte.
Das offizielle Israel schweigt eisern zu den Vorgängen, auf Weisung von Premierminister Benjamin Netanjahu. Doch es gibt zahlreiche Ex-Botschafter, Berater, Professoren und andere Experten mit reicher Ägyptenerfahrung. Sie erklären ohne Häme oder feindselige Seitenhiebe, etwa gegen die Islamisten in Ägypten, wieso nur ein Jahr nach dem erfolgreichen Sturz Hosni Mubaraks nun schon sein Nachfolger gestürzt worden ist. Sie beschreiben die katastrophale Wirtschaftslage, taktische innenpolitische Fehler Mursis, mangelnde Erfahrung mit Demokratie und vieles mehr, was zu den erneuten Demonstrationen und schließlich zum „Eingreifen des Militärs“ geführt habe. Dies könne nicht unbedingt als „Putsch“ oder „Machtergreifung“ bezeichnet werden.
Die konservative Zeitung „Ma‘ariv“ kommentierte, dass Ägyptens Generale „nicht glücklich“ seien, sich in die Politik einzumischen. Doch sei die Armee die einzige organisierte Kraft im Land, die ein Chaos unterbinden könne. Die liberale Zeitung „Yediot Aharonot“ schrieb, dass die Ära der Muslimbrüder in Ägypten nach nur einem Jahre für lange Zeit beendet sei. Sever Plotzker verglich die geglückte zweite Revolution in Ägypten mit dem Aufstand in Osteuropa 1989. Die gemeinsame Basis sei: „Der Wunsch eines Volkes, im eigenen Land frei zu sein.“
Die Auswirkungen auf den seit 30 Jahren bestehenden Frieden zwischen Israel und Ägypten, die militärische Kooperation im Sinai oder der Bestand der diplomatischen Beziehungen wurden gar nicht diskutiert, da niemand spekulieren wollte. Ein Reporter erzählte, wie ein Ägypter zum Unterschied zwischen dem arabischen „Bukra“ und dem spanischen „Mañana“ (beides bedeutet „morgen“) befragt worden sei. Die Antwort: „Bei Bukra herrscht weniger Dringlichkeit als beim spanischen Mañana.“

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen