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Außer Spesen nichts gewesen

JERUSALEM (inn) – Auf der diesjährigen Berlinale erhielt der Dokumentarfilm „Töte zuerst“ von Dror Moreh den „Friedensfilmpreis“. Am Dienstag wurde er erstmals im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Unser Korrespondent Johannes Gerloff hat sich den Film angesehen und sich Gedanken über den Oscar-nominierten Streifen gemacht.
In dem Film "Töte zuerst" erzählen die ehemaligen Sicherheitschefs nicht viel Neues.

Gut Jiddisch ist es nichts als Chuzpe, einen Film zu produzieren, der nichts Neues bringt, dem Zuschauer fast eineinhalb Stunden lang „talking heads“ in immer gleicher Perspektive zumutet, ein Drittel des Millionenbudgets für die Manipulation von historischem Film- und Bildmaterial aufwendet, um dafür dann auch noch einen Oscar für den besten Dokumentarfilm zu erwarten. Aber diese Chuzpe darf man Dror Moreh nicht zum Vorwurf machen. Vielmehr ist er dafür zu bewundern!
Dass hochrangige Vertreter des Sicherheitsapparats nach ihrer Pensionierung in die Politik gehen, ist in Israel ebenso normal wie die Tatsache, dass sie sich dann offen an kontrovers geführten Diskussionen beteiligen. Typisch israelisch an diesem Film ist, dass hohe Vertreter des Sicherheitsapparats vor laufender Kamera ihr Versagen und moralische Bedenken im Blick auf ihren Beruf breit treten. Selbstkritik ist der erste Schritt zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten, Selbstgefälligkeit der erste Schritt in Richtung Abstieg. Das weiß jeder Sicherheitsprofi.
Wer Enthüllungen von den Ex-Schabak-Chefs erwartet hat, sollte bedenken, dass in Israel zurzeit ein Alt-Staatspräsident wegen Vergewaltigung hinter Schloss und Riegel sitzt und ein ehemaliger Finanzminister ebenda über seinen Umgang mit Geld nachdenkt. Ein Geheimdienstler hat mit keinerlei Nachsicht zu rechnen, sollte er seine Geheimhaltungspflicht verletzen.
Vielleicht hätte Dror Moreh sogar seinen Oscar gewonnen, hätte er seine Gesprächspartner nicht nur zum Platznehmen vor der Kamera überredet, sondern etwas mehr Action inszeniert. Ein Gang mit dem greisen Avrum Schalom durch das berüchtigte Moskobije-Gefängnis in Jerusalem hätte durchaus Hitchcock-artiges Flair einfließen lassen können. Oder eine Fahrt mit Juval Diskin im Maserati durch die Innenstadt von Tel Aviv, inklusive der entsprechenden Autoleichen am Straßenrand, die zu jedem zünftigen Bond gehören, hätte den Unterhaltungswert des Streifens definitiv gehoben. Eine Bootsfahrt mit Ami Ajalon hätte andeuten können, dass der Ex-Admiral nicht nur der Kritischste der sechs, sondern auch der Einzige ist, der das Spionagehandwerk nicht von der Pike auf gelernt hat.
Wenn die außerisraelische Öffentlichkeit auch nur einen Pfifferling auf ihre Kritikfähigkeit gibt, ist spätestens jetzt eine Diskussion darüber angebracht, dass Dokumentationen das infamste Mittel der Propaganda und die hinterhältigste Weise der Indoktrination sind, weil der Zuschauer sich der Illusion hingibt, er habe eine sachliche Darstellung der Wirklichkeit gesehen und sei nun in der Lage, sich selbständig ein Urteil zu bilden. Die sensationsheischenden Ankündigungen des Streifens müssen die Produzenten von ARD und Arte mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren. Das gilt auch für die Veränderung des ursprünglichen Filmtitels „Die Türhüter“ zum deutschen „Töte zuerst“, die mehr über die propagandistische Zielrichtung der deutschen Vermarkter des Films aussagt, als über dessen Inhalt.

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