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Wassersegen: „Ein Tropfen auf den heißen Stein“

Schnee auf dem Gebirgsrücken von Judäa und Samaria ist etwas Denkwürdiges. In der Bibel wird Schneefall mehrfach erwähnt (zum Beispiel 1.Chronik 11,22; Psalm 68,15; 1.Makkabäer 13,22), auch wenn der alle drei bis vier Jahre vorkommt. Immerhin erreicht das zentralisraelische Gebirge eine Höhe von teilweise mehr als 1.000 Metern über dem Meeresspiegel.
Jerusalem im Schnee.

Doch das Unwetter, das in der zweiten Januarwoche 2013 über die Levante zog, war etwas Besonderes. In manchen Gegenden fielen damit bereits 70 bis 80 Prozent der gesamten durchschnittlichen Jahresniederschlagsmenge. Alle Wadis der Wüste Juda, die sich direkt ins Tote Meer ergießen, führten Wasser.
War im Wintermonat Dezember 2012 der See Genezareth noch um etwa einen halben Meter gestiegen, wie die israelische Wasserbehörde mitteilte, stieg er im Januar in nur fünf Tagen um 57 Zentimeter an. Dabei garantiert die Schneeschmelze auf dem Hermon und den Golanhöhen einen nachhaltigen Zustrom.
Was man in Europa als „Schlechtwetter“ bezeichnet, ist im Nahen Osten ein Grund zum Jubel. Dass man hier Winterkleidung eigentlich nicht kennt, tut dem keinen Abbruch. Vor laufender Fernsehkamera übertrafen sich Oberschülerinnen gegenseitig mit den Angaben, wie viele Jeans und welche Anzahl von Pullovern man übereinander angezogen hatte. „Winterstiefel“ ist ein Fremdwort in Israel, denn eigentlich ist so etwas vollkommen unnötig. Ein Paar Turnschuhe, gut mit Socken gefüttert, gegen den Matsch mit einer der allgegenwärtigen Plastiktüten überzogen, tut’s auch.
Aus dem ganzen Land reisen Schneehungrige auf’s Gebirge in die weiße Landeshauptstadt. Nicht nur weil überall Bäume unter der feuchtkalten Last zusammenbrechen, ebenerdige Räume volllaufen und die Straßen nur schwer zu räumen sind, bricht Chaos aus. Auch die israelische Mentalität trägt ihren Teil dazu bei. Wer weder das Chaos noch die nasse Kälte liebt, verkriecht sich einfach unter der Bettdecke, bis alles vorbei ist. Wenn in Jerusalem Schnee liegt, ist schulfrei – und in den elektronischen Medien wird darüber diskutiert, wer den Schaden zu tragen hat, wenn Arbeitnehmer deshalb nicht bei ihrer Arbeitsstelle erscheinen.
Reißende Ströme im Norden
Schon einen Tag nachdem sich das Unwetter verzogen hat, kann man sich kaum mehr vorstellen, wie die Elemente der Natur getobt haben. Nur noch einige verdreckte Schneehaufen und die Schneemänner, die sich immer mehr vor der durchbrechenden Sonne verbeugen, erinnern daran. Das ganze Land ist wie frisch gewaschen. Bald machen sich zwischen den Fahrbahnen der Schnellstraßen und auf dem kargen Boden unter den Ölbäumen an den Gebirgshängen gelbe, weiße und violette Blumenteppiche breit. Dem Unwetter und den Wasserströmen folgen die Ströme von israelischen Touristen, die hungrig auf Grünes und Buntes ihr Land durchwandern und vor allem im Norden die reißenden Ströme bewundern.
„Trügerische Frohboten“
Doch das nasskalte Wetter und der See Genezareth sind trügerische Frohboten im Blick auf den Wasserstand am östlichen Mittelmeerrand. Tatsache bleibt: Die Region steht am Rande einer Umweltkatastrophe. Da die Jordanier laut Friedensvertrag von 1994 20 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Jarmuk im See Genezareth zwischenlagern dürfen, ist dessen Wasserstand künstlich. Und selbst dem See Genezareth fehlen noch zweieinhalb Meter bis zu seinem Höchststand, der ein Öffnen der Schleusen des Jordans rechtfertigen würde.
Die eigentliche Anzeige für den Wasserstand des Landes ist das Tote Meer, und das fiel allein im Dezember 2012 um elf Zentimeter, stand zum Jahreswechsel 2012/2013 bei 426,89 Meter unter dem Meeresspiegel. Im August war die Oberfläche des Salzmeeres gar um 18 Zentimeter gesunken, was alle Rekorde brach, seit dieser Wasserstand gemessen wird. Damit hat der tiefste Punkt der Erdoberfläche einen neuen, traurigen Tiefpunkt erreicht. Der jüngste Wassersegen über Israel war im Blick auf die Gesamtlage nur der berühmte Tropfen auf einen heißen Stein.

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