Fajjad beklagt, dass seine Regierung bei der Bevölkerung jegliche Sympathien verspiele. Mangels Gehältern werde die Hälfte der Palästinenser unter die Armutsgrenze fallen. Dieses wiederum macht sich die radikal-islamische Hamasbewegung zunutze. Sie versucht, wieder im Westjordanland Fuß zu fassen. Ihre Aktivisten rufen zu einer dritten Intifada auf. Das verhindert Fajjads Polizei mit Verhaftungen. Versuche, mit ägyptischer Vermittlung eine „Versöhnung“ zwischen Fatah und Hamas, Gaza und Ramallah, herbeizuführen, endeten vorerst mit Gewalt.
Die Palästinenser verfügen über ein großes Wirtschaftspotential mit Hightech in Ramallah, einer lukrativen Steinindustrie in Bethlehem, 1,6 Millionen Touristen pro Jahr, ausgebuchten Hotels, Landwirtschaft und mehr. 70 Prozent der Regierungseinnahmen stammen aus Abgaben, die Israel gemäß den Osloer Verträgen im Namen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) erhebt und nach Ramallah überweist. Da fragt man sich, wieso die Autonomiebehörde kaum eigene Steuern einzieht.
Die Studie „Politische Ökonomie des Westjordanlands“ der Konrad-Adenauer-Stiftung ergab, dass 21 Prozent des palästinensischen Bruttoinlandprodukts im Jahr 2008 aus 1,8 Milliarden Dollar Hilfsgeldern der USA, EU und der Arabischen Liga bestanden. Die Autonomiebehörde hat seit ihrer Einrichtung 1994 mehr „Entwicklungshilfe“ erhalten, als jedes andere Land der Welt. Dennoch kann sie nicht einmal ihre Beamten aus eigenen Mitteln entlöhnen. Straßenlampen in Bethlehem finanzierte Japan. Straßen teert USAID und die Infrastruktur für Wasser zahlt der deutsche Steuerzahler.
Die wirtschaftliche Misere der Palästinenser ist weitgehend hausgemacht. Eine legendäre Korruption wurde erst nach dem Tod von Palästinenserführer Jasser Arafat öffentlich angeprangert. Jüngst hat Arafats Witwe Suha bestätigt, dass ihr Mann die Al-Aksa-Intifada ab September 2000 aus politischen Gründen beschlossen habe. Es sei keine „israelische Provokation“ gewesen. Mit dem nachfolgenden Terror endete die Freizügigkeit nach Israel. Über einhunderttausend Palästinenser verloren ihre Jobs. Gemeinsame Industriezentren, etwa im Norden des Gazastreifens, wurden nach Terrorattacken geschlossen. Es folgten der Bau des sogenannten „Sperrwalls“ ab 2003 und die Errichtung von Straßensperren. Bis 2008 behinderten sie Freizügigkeit und Handel innerhalb der besetzten Gebiete. Touristen blieben aus und der Handel wurde teurer, wegen Kontrollen und der Notwendigkeit, Waren umzuladen. Der Gazastreifen, halb so groß wie Singapur, aber mit nur einem Drittel der Bevölkerungsdichte, wurde nach Israels Rückzug 2005 kein Wirtschaftsparadies, sondern ein Kriegsgebiet.
Seit 2008 hat sich im Westjordanland dank einer neuen Politik Fajjads und enger Sicherheitskooperation mit Israel vieles gebessert. In Ramallah entstand ein luxuriöses Möwenpick-Hotel mitsamt Swimmingpools. Villen wurden gebaut und die Autos auf den Straßen wurden immer dicker. Die meisten Straßensperren verschwanden. Täglich wechseln rund 40.000 Palästinenser zur Arbeit nach Israel. Fajjads politisch motivierte Boykottaufrufe, nicht in israelischen Siedlungen zu arbeiten, verpufften bei etwa 30.000 Palästinensern, denen der Premierminister keine alternativen Arbeitsplätze bieten konnte.
Zugleich gibt es haarsträubende Zustände. Im Dezember hat Fajjad die Bewohner der Flüchtlingslager erstmals gezwungen, ihre Stromrechnungen zu zahlen, aber ausstehende Schulden gestundet. Der Bürgermeister von Udscha bei Jericho hat eingestanden, dass es in seiner Kleinstadt keine Wasseruhren gebe. Er forderte deshalb die Europäer auf, aus Ramallah geschickte Wasserrechnungen in Höhe von Hunderttausenden Schekel zu begleichen. Zehntausende Angestellte der Autonomiebehörde im Gazastreifen sitzen seit dem Putsch der Hamas 2007 untätig zuhause, beziehen aber weiter ihre Gehälter. Obgleich Israel den Palästinensern vermeintlich Wasser vorenthält, mangelt es nicht an Schwimmbädern, Springbrunnen und „Wasserspielen“. In Bethlehem wird der Krippenplatz vor der Geburtskirche mit einem üppigen Wasserstrahl aus Hydranten abgespritzt. In Ramallah, Nablus und Dschenin sprießen Villen und leere Neubauten als Investitionsobjekte aus dem Boden. Der sichtbare Wohlstand und die behauptete Misere können nur schwer auf einen Nenner gebracht werden.
Die Wirtschaftslage ist also auch Produkt palästinensischer Politik und nicht nur die Folge israelischer Besatzung. Die mörderische Intifada, der Raketenbeschuss Israels aus dem Gazastreifen, die Boykottaufrufe oder der Gang zur UNO mögen „legitimer Widerstand“ sein, haben aber keinen Beitrag zur Stärkung der eigenen Wirtschaft geleistet.