Suche
Close this search box.

Ende der Demokratie?

Mit dem Siedlungsbau hat sich Israel von seinen demokratischen Idealen verabschiedet. Diese Ansicht vertritt der jüdisch-orthodoxe Journalist Gershom Gorenberg in seinem Buch „Israel schafft sich ab“. Der Israeli hat dabei vor allem die strenggläubigen Juden im Visier.
Gorenbergs Gesinnungsgenossen: Aktivisten der Organisation „Schalom Achschaw“ (Frieden jetzt) demonstrieren gegen Siedlungen

Gorenberg skizziert die Entwicklung der Siedlungen von der Mandatszeit an, als wäre sie auf lineare Weise vor sich gegangen: „Der Siedlungsbau war ein zionistischer Wert, insbesondere einer der zionistischen Linken.“ Nach dem Sechstagekrieg 1967 hätten die religiösen Juden diesen Wert für sich übernommen, weil sie eine Möglichkeit witterten, einem „Groß-Israel“ näher zu kommen. Durch die Euphorie habe sich Israel von seinem demokratischen Ideal zurückgezogen. Deshalb seien die Siedlungsblöcke entstanden, unterstützt von den israelischen Regierungen. Ihnen wiederum wirft er vor, durch die Bebauungspolitik bewusst Keile in das palästinensische Land zu treiben, damit am Ende ein zerstückeltes arabisches Gebiet übrig bleibe und eine Zweistaatenlösung unmöglich werde.
Wie passt nun der israelische Abzug aus dem Gazastreifen unter Ariel Scharon in dieses Bild? „Mit der Räumung von 9.000 Gazasiedlern – und dann noch von 600 Einwohnern aus vier winzigen, isolierten Gemeinden in der nördlichen Westbank – beabsichtigte Scharon, das Siedlungsprojekt als Ganzes zu schützen.“ Dass es bis heute viele konstruktive Beziehungen zwischen Siedlungen und benachbarten palästinensischen Ortschaften gibt, ist dem 1977 aus Kalifornien eingewanderten Israeli offenbar entgangen. Und der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen, der sich nach dem Rückzug deutlich gesteigert hat, spielt in seinen Überlegungen ebenfalls keine Rolle. Überhaupt hält er den Terror gegen Israelis – ob mit oder ohne Siedlungen – offenbar für nebensächlich.
Umso ausführlicher bringt der Journalist Beispiele, wie sich israelische Bürger oder der Staat angeblich unrechtmäßig palästinensisches Land angeeignet hätten. Ebenso prangert er Situationen an, in denen arabische Staatsbürger anders behandelt würden als jüdische. Der Einfluss der Ultraorthodoxen, die er als abgeschottete Gemeinschaft mit eigenem Schulsystem ohne grundlegende Allgemeinbildung beschreibt, ist dem orthodoxen Juden ein Dorn im Auge.
Wie so viele Autoren sucht Gorenberg nach einer Lösung für den Nahostkonflikt. Allerdings bezeichnet er sein Streben als Suche nach einer Möglichkeit, den Staat Israel wieder demokratisch zu machen. Er hält drei Veränderungen für erforderlich: ein Ende von Siedlungsbau und Besatzung, eine Trennung von Staat und Religion sowie die Gleichberechtigung aller Bürger. Dabei müsse Israel in jedem Fall Land an die Araber zurückgeben. Ob sich die Palästinenser untereinander einigen, vom Terror absehen und einen funktionierenden Staat gründen, sei hierfür ohne Belang.
Doch muss er einräumen, dass Kompromisse nötig seien. Und dass er keine vollständige politische Konzeption im Kopf habe. So sieht er es „für die absehbare Zukunft“ als vernünftig an, „die Araber von der Wehrpflicht auszunehmen und die Armee unter jüdischer Hegemonie zu belassen“. Auch das von palästinensischer Seite geforderte allgemeine Rückkehrrecht für die Flüchtlinge von 1948 und deren Nachkommen lehnt er ab.
Bemerkenswert: Das Buch ist nicht auf Hebräisch erschienen, sondern unter dem englischen Titel „The Unmaking of Israel“ (Israels Abschaffung). Das israelische Wirtschaftsmagazin „Globes“ betitelte im November 2011 seinen Beitrag über die Abhandlung denn auch: „Neues Buch in den USA: Israel ist grausam und die Besatzung ewig“. Die Internetzeitung stellte fest: „Der Autor, der Israeli Gershom Gorenberg, behauptet, selbst wenn die Araber ihren Teil zur Entstehung des Siedlungsproblems beigetragen hätten, müssten die Juden es lösen.“ Und das ist in der Tat eine einseitige Vorstellung.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen