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Die Nachspiele von 1972

Vor genau 40 Jahren, am 5. September 1972, haben palästinensische Terroristen während der Sommerspiele in München israelische Teilnehmer in Geiselhaft genommen. Sie töteten dabei elf Israelis und einen deutschen Polizisten. Neu veröffentlichte Dokumente des israelischen Staatsarchivs zeigen, dass für israelische Politiker die Schuldfrage keineswegs feststand.
Kein schöner Tag: Heute wird der Opfer der Geiselnahme von München gedacht. Neu veröffentlichte Dokumente zeigen, wie israelische Politiker die Frage nach der Verantwortung stellten.

„Sie haben nicht die kleinste Anstrengung unternommen, die Lebenden zu retten, sie sind nicht das kleinste Risiko eingegangen, um zu versuchen, die Leute zu retten – weder ihre eigenen noch unsere“, sagte Zwi Zamir. Der Leiter des Auslandsgeheimdienstes Mossad war während des Attentates in Deutschland vor Ort und erstattete Premierministerin Golda Meir Bericht. „Menschleben haben bei ihnen keinen Wert“, resümierte er.
Wie diese Aussagen, die sich in einem der 45 nun veröffentlichten Dokumente des israelischen Staatsarchivs finden, einzuschätzen sind, ist schwer auszumachen. Als kühles, abwägendes Urteil sind sie sicher nicht zu verstehen. Der Aussage Zamirs lässt sich etwa entgegenhalten, dass sich der deutsche Innenminister Hans-Dietrich Genscher selbst als Tausch für die Geiseln angeboten hat. In jedem Fall reflektiert die Äußerung die unbestrittene Dramatik der Situation.
Aus den veröffentlichten Dokumenten geht auch hervor, dass die israelische Regierung unmittelbar nach dem Attentat die Verantwortung für den schlimmen Ausgang nicht nur bei Deutschland sah. In der Kabinettssitzung am 6. September, dem Morgen nach der Geiselnahme, gestand Verteidigungsminister Mosche Dajan zu, es habe „ernste Hinweise“ auf Terrorgefahr für Israelis in Europa gegeben. Er schlug vor, die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen einer Prüfung zu unterziehen.
Das ist das indirekte Eingeständnis einer Teilschuld an dem mangelnden Schutz der israelischen Sportler, dem auch andere Minister beipflichteten. Auf Druck von israelischen Politikern und den Medien sollte dann ein „Team“ – keine offizielle Kommission – den Vorfall untersuchen und dabei vor allem die israelische Rolle beleuchten. Dies schien auch deswegen notwendig, weil ein in Deutschland erschienener Bericht kein Versagen von deutscher Seite sah – was natürlich im Gegensatz zu den Worten Zamirs stand.
Umstrittener Bericht
Der „Koppel Komitee Bericht“, benannt nach dessen Vorsitzenden Pinhas Koppel, dem Generalinspektor der Polizei, erschien am 29. September. Er warf Deutschland „komplettes Versagen“ vor, kritisierte aber auch, dass Israel notwendige Schutzmaßnahmen für die Delegation nicht vorgenommen hatte.
Angesichts dieser Einschätzung erwog Meir, zurückzutreten, entschied sich aber dagegen, weil dies ihrer Auffassung nach die Regierung in eine Krise gestürzt hätte: „Es ist eine bittere und traurige Sache, dass ich in der Situation bin, in der mein Rücktritt die Regierung in eine Krise ziehen würde – wie es scheint wegen der Tötung von elf Menschen; ich fühle mich sehr, sehr schlecht.“
Andere Minister kritisierten den Bericht, vor allem, weil er israelischen Ministerien Verantwortung zuschrieb. Bildungsminister Jigal Allon, dessen Ministerium für die israelische Olympiaauswahl zuständig war, betonte, dass „Ministerien nicht für die Sicherheit im Ausland verantwortlich sind“. Auch der damalige Verkehrsminister Schimon Peres beklagte, dass „die Deutschen gesagt haben, dass ihrerseits alles glatt gelaufen ist […]. Und nun kommen die Israelis und sagen, sie seien schuld. Wir müssen erklären, dass Israel nicht für die Sicherheit in Deutschland zuständig gewesen sein konnte.“
Tatsächlich führte die Kritik dazu, dass ein neuer Bericht verfasst wurde, der Aufschluss über die Sicherheitsmaßnahmen geben sollte. Das Komitee für Außenangelegenheiten und Sicherheit kam nach dem Vergleich beider Berichte zu dem Schluss, dass israelischen Ministerien keine Verantwortung zur Last gelegt werden konnte. Verantwortlich sei nur der israelische Inlandsgeheimdienst „Schabak“, dessen Chef der Rücktritt nahegelegt wurde. Außerdem warf das Komitee deutschen Behörden Mängel bei den Sicherheitsmaßnahmen vor.
Gute Beziehungen bewahren
Neben der Schuldfrage geht aus den Dokumenten auch hervor, dass sich die israelische Regierung darum bemühte, dass der Vorfall kein böses Nachspiel für die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel hat. Es sollten keine anti-deutschen Ressentiments in Israel und unter Juden weltweit aufkommen. Israelische Vertretungen im Ausland wurden etwa angewiesen, keine Kritik an Deutschland wegen des gescheiterten Rettungsversuchs zu üben.
Auch die nun veröffentlichten Dokumente können nur einen Ausschnitt der damaligen Begebenheiten bieten. Weitere Veröffentlichungen, auch aus deutschen Archiven, werden noch folgen müssen, um die dramatischen Ereignisse angemessen bewerten zu könne. Vor allem aber steht noch eine wissenschaftliche Aufarbeitung aus.
Am heutigen Jahrestag der Geiselnahme findet auf dem Münchener Militärflughafen Fürstenfeldbruck, wo die Situation zwischen den Geiselnehmern und der Polizei eskalierte, eine Gedenkveranstaltung statt. Neben Angehörigen der Opfer und Überlebenden kommen Innenminister Hans-Peter Friedrich, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU) sowie Israels stellvertretender Premierminister Silvan Schalom (Likud).

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