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Israels Dilemma: Iran angreifen oder nicht?

Israel steht vor einem Dilemma: mit einem atomar aufgerüsteten Iran zu koexistieren und dessen Vernichtungsdrohungen tatenlos hinzunehmen, oder im Alleingang das iranische Atomprogramm zu zerstören.
Noch ist in Israel kein Entschluss bezüglich eines Militärschlages gegen die iranischen Atomanlagen gefallen.

Die Anreicherung von Uran auf über 20 Prozent ergibt nur einen Sinn für den Bau einer Atombombe. „Daher wiederhole ich und bekräftige nochmals: Der Iran darf nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangen“, so Premierminister Benjamin Netanjahu. Dieser Satz wird als offene israelische Drohung, „Kriegshetze“, „Säbelrasseln“, „Verschärfung des Anti-Iran-Kurses“ und als Hinweis auf israelische Militärpläne gewertet, obwohl der israelische Premier verschweigt, was er beabsichtigt.
Zahllose israelische Experten haben sich in letzter Zeit zu Wort gemeldet: Forscher, ehemalige Militärs und Politiker. Alle gestehen, weder neueste Geheimdienstinformation zum aktuellen Stand des iranischen Atomprogramms noch die heutigen Fähigkeiten der israelischen Luftwaffe zu kennen. In Israels Medien erklärten sie das Dilemma:
– Sowie der Iran atomar ausgestattet ist, kann er nicht mehr bombardiert werden. Wegen der Gefahr einer Verstrahlung der Umwelt wäre er militärisch „immun“.
– Israel verfügt wegen der großen Entfernungen nur über beschränkte Mittel, über den ganzen Iran verstreute Atominstallationen zu zerstören. Je länger gewartet wird, desto unerreichbarer werden die vom Iran in Bunker oder Berge verlegten Anlagen. Israel „rennt“ die Zeit davon.
– Die USA haben weit bessere Möglichkeiten, weil näher am Ziel und mit größeren Bomben ausgestattet. Sie haben einen längeren Atem, noch ein paar Monate auszusitzen. Die USA müssten selber zum Schluss kommen, dass diplomatische Druckmittel und Sanktionen nicht fruchten und dass eine iranische A-Bombe amerikanische Interessen wie Öl und seine Verbündeten unerträglich bedroht.
– In diesem zeitlichen Spannungsfeld ergibt sich für Israel ein präzedenzloses Dilemma. Der Staat Israel ist mit der Lehre aus dem Holocaust entstanden, nie wieder von den „Völkern“ abhängig zu sein, wenn es um das eigene Überleben geht. Gleichwohl befand sich Israel nie in einem Vakuum. Es hatte immer Verbündete, die Waffen lieferten und politisch an seiner Seite standen: Sowjets, Briten, Franzosen und ab 1970 die Amerikaner. Gleichwohl fragte Israel nie, ob es angreifen oder sich verteidigen dürfe. 1991 nahm Israel Rücksicht, als es auf Raketenbeschuss aus dem Irak nicht reagierte, während die Bevölkerung mit Gasmasken in „abgedichteten Zimmern“ saß.
Auslieferung an Willkür der USA
Den Iran jetzt NICHT anzugreifen, bedeutet für Israel, sich amerikanischer Willkür auszuliefern. Entweder stoppen die USA das iranische Atomprogramm, oder aber sie konfrontieren Israel damit, tägliche iranische Vernichtungsdrohungen tatenlos hinzunehmen und dem Funktionieren eines amerikanisch finanzierten Abwehrschirms zu vertrauen. Für ein Volk mit Holocausttrauma könnte das ein unerträglicher Zustand werden.
Gegen einen amerikanischen Militärschlag in nächster Zukunft sprechen der derzeitige Wahlkampf, die Wirtschaftskrise und schlechte Erfahrungen mit militärischen Abenteuern in Irak und Afghanistan. Die Instabilität in der arabischen Welt, besonders in Syrien, sowie die Politik der Vetomächte Russland und China, würden selbst einen erfolgreichen Schlag gegen das Atomprogramm des Iran zu einem Abenteuer mit unberechenbaren Folgen machen. Zudem glauben die Amerikaner offensichtlich an die Wirksamkeit der schmerzhaften Sanktionen.
Im Gegensatz zu Israel besteht für die Amerikaner keine Dringlichkeit, jetzt zu handeln. Während Israel das iranische Atomprogramm bestenfalls um ein paar Jahre hinauszögern könnte, wären die Amerikaner auch in Zukunft fähig, es nachhaltig zu zerstören.
Israelische Experten erwähnten zudem die „historische Erfahrung“, dass die USA weder Nordkorea noch Pakistan gewaltsam am Bau einer Atombombe gehindert hätten.
Kein Präzedenzfall
Der von Menachem Begin 1981 heimlich beschlossene und erfolgreiche Angriff auf den irakischen Atomreaktor Osirak bei Bagdad, ohne Rücksprache mit den USA, könne nicht als Präzedenzfall dienen, so die Experten. Ebenso der mutmaßlich israelische Angriff auf den syrischen Reaktor Al-Kabir im September 2007.
Über den Iran wird seit 15 Jahren öffentlich debattiert. Das Land ist zudem vorgewarnt und hat seine Lehren aus der Erfahrung des Irak gezogen. Seine Anlagen sind befestigt, und israelische Kampfflugzeuge müssten unvergleichbar größere Herausforderungen meistern.
Noch existiert keine israelische Absichtserklärung, den Iran anzugreifen, und alle kursierenden Militärpläne erweisen sich als Spekulation. Es gilt, was Verteidigungsminister Ehud Barak gesagt und der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta jüngst bestätigt hat: „Noch ist in Jerusalem kein Beschluss gefallen.“

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