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NRW-Israel-Forum: Diskussion über Israels Sicherheit

Die Deutschen müssten sich darüber im Klaren werden, was ein Einstehen für Israels Existenzrecht tatsächlich bedeute. Das forderte der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, am Montag in Bochum auf dem "II. NRW-ISRAEL-Forum". An der Veranstaltung über die aktuelle Lage im Nahen Osten nahmen unter anderen auch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, sowie der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider teil.

In einer Podiumsdiskussion sprachen die Ex-Botschafter Rudolf Dreßler und Stein über Israels Recht auf Selbstverteidigung, den Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Israel und die Lieferung deutscher U-Boote an den jüdischen Staat. Moderiert wurde das Gespräch vom Chefredakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ), Ulrich Reitz.

Hintergrund der Debatte über die U-Boot-Lieferung war ein aktueller Bericht des Magazins "Der Spiegel". Laut diesem will Israel angeblich drei von Deutschland gelieferte U-Boote mit nuklear bestückten Marschflugkörpern ausrüsten. Über das Thema ist nun eine öffentliche Debatte in Deutschland entbrannt. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Stein, wies darauf hin, dass der Bericht keinerlei neue Erkenntnisse enthalte. Er legte den Lesern nahe, zu prüfen, was das Hamburger Magazin damit "für eine Stimmung erzeugen wollte". Dass gerade jetzt deutschen Reportern Zugang auf eines der U-Boote gewährt wurde, ergebe jedoch einen Sinn: "Zwischen uns und einem Nachbarn, der uns nicht wohlgesonnen ist, werden derzeit viele Botschaften ausgetauscht", sagte Stein im Hinblick auf den Iran.

Der frühere deutsche Botschafter in Israel, Dreßler, wies darauf hin, dass es eine ähnliche Debatte schon bei einer früheren U-Boot-Lieferung nach Israel gegeben habe. Grund für solche Diskussionen sei ein Gesetz, das es der Bundesrepublik untersage, Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Es stelle sich aber die Frage, inwieweit Deutschland gegenüber dem jüdischen Staat verpflichtet sei, wenn dessen Sicherheit Staatsräson ist, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel es betont hatte. Entscheidend dafür sei: "Will Israel sich verteidigen oder einen Präventivschlag führen?". Er halte die israelische Politik für "zu intelligent" für einen Erstschlag, so Dreßler. Für ihn sei die Entscheidung, Israel mit U-Booten zu versorgen, daher "akzeptabel".

"Israelischer Erstschlag kein Nuklearschlag"

Stein kritisierte die weitverbreitete Annahme, dass es sich bei einem israelischen "Erstschlag" um einen nuklearen Angriff handeln könnte. Dies sei eine "Unterstellung", die zur "Dämonisierung" Israels beitrage und den Eindruck vermittle, "dass Israel zu allem fähig ist". Der ehemalige Botschafter wies darauf hin, dass in der israelischen Öffentlichkeit keine solche Debatte über einen Erst- oder Zweitschlag geführt werde. In seinem Land seien alle Optionen auf dem Tisch, um den Iran an der Entwicklung von Nuklearwaffen zu hindern, auch die militärische. Allerdings sei dies nicht die bevorzugte Option. Er könne nicht ausschließen, dass Israel einen Präventivschlag plane und auch ausführe, wenn die Diplomatie gescheitert sei. "Das wäre aber ein Angriff mit konventionellen Waffen und kein Nuklearschlag", betonte Stein. Angesichts der Drohungen aus Teheran sei die Option, "mit einer iranischen Bombe zu leben", für Israels Bevölkerung gefährlicher, als den Iran zu bombardieren.

"Israels Ängste verstehen"

Dreßler forderte die Deutschen dazu auf, zu versuchen, Israels Angst im Blick auf die anhaltenden Drohungen aus dem Iran zu verstehen. "Israel hat sechs Angriffskriege gewonnen, hätte es einen verloren, existierte es heute nicht mehr. Deutschland hat die Erde zwei Mal an den Abgrund gebracht und ist heute wieder oben auf."

Diskutiert wurde auch über die Gedanken des Bundespräsidenten Gauck zu Merkels Zusicherung: "Israels Sicherheit ist Teil der deutschen Staatsräson". Gauck hatte bei seinem Besuch in Israel erklärt, Israels Sicherheit sei für Deutschland "bestimmend". Ex-Botschafter Stein erklärte dazu, man müsse sich klar machen, was es überhaupt bedeute, sich für das Existenzrecht Israels auszusprechen. Welche Folgen hätte es für Deutschland, wenn Israel in einen Krieg mit den Iran gerate? Dann stelle sich unter anderem die Frage, ob deutsche Truppen nach Israel entsandt werden müssten.

"Von Empfängernation zu Partner für Entwicklungspolitik"

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, betonte das einzigartige Verhältnis Deutschlands zu Israel. Allerdings gehe es nicht nur um die Vergangenheit, sondern vor allem darum, gemeinsam die Zukunft zu entwickeln. Israel habe sich von einem landwirtschaftlich geprägten Staat zu einer Hightech-Nation entwickelt, die die jüngste weltweite Finanzkrise deutlich besser überstanden habe als andere Länder. Der jüdische Staat sei von einer Empfängernation zu einem der engsten Partner Deutschlands in der Entwicklungspolitik geworden. Niebel wies auf Projekte hin, die Deutschland und Israel in Drittländern durchführten. Dazu gehörten die Rettung des Victoriasees in Kenia und der Anbau von Zitrusfrüchten in Ghana. Diese Zusammenarbeit spreche für die besondere Qualität der deutsch-israelischen Beziehungen.

"Israel muss schmerzliche Entscheidungen treffen"

Der FDP-Politiker sprach auch das Thema Frieden in Nahost an. "Frieden entwickeln – das ist für mich eine Kernkompetenz der Entwicklungspolitik! Sicherheit und Existenzrecht Israels sind unverrückbarer Eckpfeiler der deutschen Politik." Nur wenn beide Konfliktparteien sich mit Respekt begegneten, könne Frieden gelingen, so Niebel. Je länger der Friedensprozess stagniere, um so schlechter seien die Chancen für die Umsetzung einer Zweistaatenlösung. Israel müsse seiner Ansicht nach vor allem hinsichtlich seiner Siedlungen im Westjordanland schmerzliche Entscheidungen treffen. Diese seien auf Dauer gesehen jedoch von Vorteil für den jüdischen Staat.

"Gaza-Blockade aufheben"

Der Minister sprach sich außerdem für die Aufhebung der sogenannten Gaza-Blockade aus, um den Export aus dem Gebiet zu erhöhen. Dadurch entstehe die Möglichkeit, dass sich Palästinenser dort vom Radikalismus abwendeten. Hinsichtlich der Umsetzung humanitärer Projekte gebe es gerade im Westjordanland eine gute Kooperation mit den israelischen Behörden. Dies zeige, dass Israel daran interessiert sei, die Lebenslage der Palästinenser zu verbessern.

Auf die Frage aus dem Publikum, wie Israel den Waffenschmuggel in den Gazastreifen verhindern soll, wenn es die sogenannte Blockade auflöse, betonte Niebel: "Waffen kommen nicht nur durch die Grenzen in den Gazastreifen." Die Schmuggeltunnel seien beispielsweise nicht von der Blockade betroffen. Er spreche zudem nicht von der Abschaffung aller Grenzposten, sondern wünsche sich, dass der Export aus Gaza wieder floriere. Dies würde die Abhängigkeit der Menschen dort minimieren. Eine bessere wirtschaftliche Lage des Gebietes wäre auch ein Sicherheitsgewinn für Israel.

Nahostkorrespondent Sahm kritisiert Berichterstattung über Israel

Ein weiterer Redner des Forums war Nahostkorrespondent Ulrich Sahm aus Jerusalem. Er ging unter anderem auf die Berichterstattung über Israel in Deutschland ein. Sahm machte darauf aufmerksam, dass israelischen Politikern in Agenturmeldungen immer wieder "hohle Formeln und kommentierende Adjektive" angehängt würden, unter anderem "Hardliner". Als Beispiel zitierte er aus einem Artikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit". Dort schrieb Jörg Lau im April: "Zwar wurde Israel damals noch von dem netten Ehud Olmert und der freundlichen Zipi Livni regiert – aber deren bärbeißige Nachfolger Benjamin Netanjahu und Avigdor Lieberman haben Israels Iranstrategie nicht grundlegend verändert, und der unerbittliche Ehud Barak war auch damals schon Verteidigungsminister." Laut Sahm werde die Methode "exzessiv und fast nur bei israelischen Politikern angewendet". Angaben von Agenturjournalisten zufolge soll sie dem deutschen Leser dabei helfen, die israelischen Politiker besser einordnen zu können. "Sie scheint aber eher dazu zu dienen, die israelischen Politiker zu disqualifizieren", so Sahm.

Der Journalist kritisierte außerdem eine zu hohe "Gewichtung des Nahostkonflikts" in den Medien. Wenn "die Juden schuld" seien, würden Opfer des Konflikts häufig namentlich genannt. Töte hingegen die Hamas oder gebe es Tote in Libyen, Syrien oder Ägypten werde kein einziger Name genannt.

EKD-Ratsvorsitzender Schneider: "Israel nicht überbewerten"

Theologische Aspekte zum Thema Israel brachte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, ein. Er betonte, die Kirche im Rheinland habe sich aufgrund der deutschen Geschichte zur Solidarität mit Israel verpflichtet, das schließe jedoch Kritik an aktueller Politik nicht aus. Schneider warnte vor einer "religiösen Überhöhung Israels". Der jüdische Staat sei ein säkularer Staat und kein Gottesstaat. Über seine Existenz sei völkerrechtlich entschieden worden, nicht durch Theologie. Er persönlich sei davon überzeugt: "Die Errichtung Israels nach der Schoah kann als Zeichen der Treue Gottes gewertet werden, ohne dass Israel überbewertet wird." Auch dass es die Kirche in Deutschland noch gebe, sei ein Beweis für Gottes Treue.

"Biblische Verheißungen sind keine Roadmap"

In den biblischen Landverheißungen für Israel sieht Schneider bedeutende historische Quellen. Diese könnten jedoch keine "Roadmap" für die Politik darstellen. Voraussetzung hierfür wäre, das jeder daran glaube, dies sei jedoch nicht möglich. Außerdem gäben die Landverheißungen keine eindeutigen Grenzen für Israel vor.

Schneider forderte Israelis und Palästinenser dazu auf, Zeichen im festgefahrenen Friedensprozess zu setzen. Die Situation in Nahost sei "an der Grenze zur Hoffnungslosigkeit". Palästinensischer Terror und Hetze müssten beendet werden, aber auch anti-arabische Propaganda in Israel müsse aufhören.

Zu Gast in Bochum war außerdem Alisa Olmert, Künstlerin und Ehefrau des früheren israelischen Premierministers Ehud Olmert. Sie sprach über das Problem der illegalen Einwanderung in Israel.

Weitere Ehrengäste des Forums waren der Gesandte des Staates Israel in Deutschland, Emmanuel Nahschon, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, die NRW-Landtagspräsidentin Carina Gödecke sowie die Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum, Ottilie Scholz.

Das "NRW-Israel-Forum" wird von dem überparteilichen, nicht kommerziellen Projekt "HERAUSFORDERUNG ZUKUNFT" veranstaltet, das unter der Schirmherrschaft des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres, des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu und der Bochumer Oberbürgermeisterin Scholz steht.

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