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Der Bundespräsident im Heiligen Land

Im Jahr 1996 durfte ich Bundeskanzler Helmut Kohl nach Ägypten, Israel und Jordanien begleiten. Nun ist wieder Pfingsten und ich darf den Staatsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck im Pressetross miterleben - und dessen gutes Verhältnis zum israelischen Staatsoberhaupt Schimon Peres.

Weil wir am 2. Pfingsttag 1996 noch kein sehr dichtes Programm hatten, kam Kohl kurzerhand auf die Idee, in der Erlöserkirche an einem Pfingstgottesdienst teilzunehmen. Aber es fand zu der Zeit keiner statt. Doch ein Anruf beim damaligen Propst machte es möglich: Der katholische Christ Helmut Kohl mit seiner Delegation in einem Pfingstgottesdienst in der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem.

Sonst ist aber vieles anders als vor 16 Jahren. Erstmals besucht ein evangelischer Theologe als Bundespräsident Israel, noch dazu einer, der in der DDR aufgewachsen ist.

Dass die Biographie von Joachim Gauck, wie auch die seines Gastgebers, Schimon Peres, bei diesem Besuch eine wichtige Rolle spielt, machen beide Präsidenten in ihren Reden deutlich.

So erwähnt Peres in seiner Begrüßungsrede mit persönlichen und warmherzigen Worten das Engagement des Bürgerrechtlers und Pastors Joachim Gauck in der ehemaligen DDR, hebt dessen Freiheitswillen und friedlichen Freiheitskampf hervor. Peres wörtlich: "Mit Ihrer Wahl wurde deutlich, dass Sie Bundespräsident eines europäischen Deutschlands wurden, nicht Präsident eines Staates in einem deutschen Europa."

Dabei vergisst das israelische Staatsoberhaupt nicht, an die Konflikte zu erinnern, mit denen Israel zurzeit konfrontiert ist. Er nennt die atomaren Ambitionen des Iran und weist darauf hin, dass dessen Präsident die Schoah leugnet und gleichzeitig einen neuen Völkermord prophezeit.

Rückblick auf Peres‘ Bundestagsrede

Gauck bezieht sich seinerseits beim Staatsempfang des israelischen Präsidenten auf die Rede, die sein Gastgeber am 27. Januar 2010 vor dem Deutschen Bundestag hielt. Peres hatte dort von seinem Großvater, Lehrer und Mentor, Rabbi Zwi Meltzer, erzählt. Auf Befehl der Nazis war dieser, eingehüllt in seinen Gebetsmantel, der Familie und der Gemeinde voran in die Synagoge seiner Geburtsstadt Wiszniewo gezogen. Die Nazis verriegelten die Türen und zündeten das hölzerne Gebäude an. Niemand überlebte diese grausame Tat.

Gauck zu Peres gewandt: "Diese Gräueltaten, von Deutschen an Ihrer Familie und Ihrem Volk verübt, erschüttern mich. Sie aber, Herr Präsident, reichen uns die Hand zur Versöhnung."

Dann schildert das deutsche Staatsoberhaupt, wie er als junger Mann versucht hat, einen "Zugang zur Schoah zu finden". In dieser Situation habe er sich, so Gauck, "völlig fassungslos" mit einem Buch über den Nationalsozialismus auseinandergesetzt und "weder einen Gesprächspartner, noch verständnisvolle Worte" für sein Entsetzen gefunden.

Zu seinem Besuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem bemerkte Gauck, dass gerade in diesem Erlebnis sein Verhältnis zu Israel greifbar geworden sei. Die Trauer um die von Nazideutschland ermordeten Juden habe alles durchdrungen.

"Mit Ihnen an meiner Seite, Herr Präsident," fuhr der Bundespräsident zu Peres gewandt fort, "spüre ich, wie unermesslich großherzig das Geschenk des Vertrauens ist, das Deutschland erhalten hat."

"DDR-Politik verhinderte Beschäftigung mit Israel"

Im Blick auf die DDR-Vergangenheit bekannte Gauck: "Verblendet von einer antifaschistisch genannten Ideologie haben die Machthaber der DDR die deutsche Verantwortung für die Schoah nicht übernommen." Stattdessen hätten sie einen "staatlichen Antizionismus" verordnet. Damit habe man den DDR-Bürgern unter anderem die Gelegenheiten genommen, sich mit Israel zu beschäftigen und die dort lebenden Menschen kennen zu lernen.

Gauck würdigte das Engagement der Kirchen in der DDR. Sie hätten die Möglichkeit eröffnet, "eigenständiges Wissen über die Vergangenheit zu erwerben". Im Blick auf die Wiedervereinigung Deutschlands meinte der Bundespräsident: "Dem Glück, das uns durch den Fall der Mauer widerfahren ist, muss jetzt die Freiheit folgen, sich zu Israel zu bekennen."

Gauck versprach, Deutschland werde an der Seite Israels stehen, "jetzt und in Zukunft". Damit bekräftigte er eine Aussage, die er auf dieser Reise schon früher gemacht hatte: "Nicht die Israelis negieren das Existenzrecht anderer Staaten, sondern andere Staaten negieren das Existenzrecht Israels."

Israelische Wertschätzung für Gauck

Was diesen Staatsbesuch besonders prägt, ist das sehr gute Verhältnis der beiden Präsidenten. Der Bundespräsident wird von allen Seiten hier in Israel als sehr wichtige und interessante Politikerpersönlichkeit dargestellt und als solche von seinen Gesprächspartnern wahrgenommen. Dafür sprechen auch die besonderen Punkte in dem Besuchsprogramm, wie zum Beispiel ein Gespräch mit Mitgliedern der Olympiamannschaft von 1972.

Für einen Teilnehmer des Empfangs von Schimon Peres für den Bundespräsidenten hat dieser Termin eine traurige Bedeutung. Es war der letzte offizielle Termin des evangelischen Propstes von Jerusalem und ersten Pfarrers der Erlöserkirche, Uwe Gräbe. Seine sechsjährige Amtszeit ist am 29. Mai zu Ende gegangen. Er hat Israel noch am Abend mit seiner Familie verlassen. Für ihn ein sehr schmerzlicher Abschied, denn er hat sich in Israel sehr wohlgefühlt. Man spürt Gräbe ab, dass ihm der Abschied nicht leicht fällt, aber er hat einen ungewollt würdigen Rahmen, schließlich war eigens sein Amtsbruder, der Pfarrer und Bürgerpräsident Joachim Gauck, anwesend.

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