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Die Saga um die „Krone von Aleppo“

Die "Krone von Aleppo" ist die exakteste Bibelabschrift aller Zeiten, "Gottes Wort” für fromme Juden und das kostbarste hebräische Buch. Das 1.100 Jahre alte Manuskript hat eine bis heute ungeklärte Geschichte hinter sich: Diebstahl, Lösegeld, Konspiration, Verschwörung, Mossad-Agenten und sogar ein "mysteriöser Tod" in Jerusalem.

Der Aleppo-Codex wurde etwa im Jahr 930 in Tiberias am See Genezareth angefertigt. Die Bibelabschrift gilt als das beste und exakteste Manuskript des Alten Testaments. Auf Hebräisch wird es "Keter Aram Zuba" genannt, die "Krone von Aleppo". 600 Jahre lang war sie im Besitz der jüdischen Gemeinde von Aleppo in Syrien. Teile des Manuskripts werden heute im Israel Museum in Jerusalem ausgestellt, wo auch die Tote Meer-Rollen, die ältesten Bibelkopien, gezeigt werden. Von ursprünglich 491 Seiten haben 295 überlebt, während 196 Seiten seit 1947 auf mysteriöse Weise verschwunden sind.

Der Journalist Matti Friedman hat in einem neuen Buch die wilde Geschichte des Manuskripts untersucht. Er entdeckte ungeheuerliche Vorgänge, darunter Diebstahl, Korruption, geheimdienstliche Tricks, Intrigen, staatliche Vertuschung und sogar den mysteriösen Tod eines Antiquitätenhändlers.

Friedmans Buch "The Aleppo Codex" soll am 15. Mai in den USA beim Verlag "Algonquin Books of Chapel Hill" erscheinen. Es trägt den Untertitel: "Eine wahre Geschichte von Wahn, Glaube und die internationale Verfolgungsjagd nach einer alten Bibel". Eine deutsche Ausgabe soll beim Herder-Verlag erscheinen.

Codex stärkte jüdische Identität

Der Codex wurde um das Jahr 930 in Tiberias von Schlomo Ben-Buyaa kopiert und von Rabbi Aaron Ben Ascher mit sogenannten "diakritischen Zeichen" ergänzt. Das sind Pünktchen und Zeichen, die den hebräischen Konsonanten die fehlenden Vokale beifügen.

So wurde die "Krone von Aleppo" zum wichtigsten Werk der Juden. Denn in ihrer Verstreuung in alle Welt stiftete allein der kanonisierte Text der Bibel den Juden Identität und Zusammenhalt. Ohne die einheitliche Bibel wären die Juden wie Tausende andere Völker spurlos verschwunden.

Im 11. Jahrhundert gelangte die "Krone" nach Jerusalem. 1099 raubten Kreuzfahrer die "Krone" nach schweren Massakern an Juden und Moslems. Aus einer Eintragung im Originalmanuskript geht hervor, dass Kairoer Juden den Codex gegen ein Lösegeld von den Kreuzfahren erworben hatten. Der berühmte Arzt, Philosoph und Rechtsgelehrte Maimonides verwendete den Codex als Grundlage für seinen "Führer der Verwirrten" und seinen bis heute autoritativen Bibelkommentar.

Im 15. Jahrhundert wurde der Codex nach Unruhen in Kairo nach Aleppo überführt. Die jüdische Gemeinde hütete ihn 600 Jahre lang.

Ausschreitungen gegen jüdische Gemeinde

Einen Tag nach dem 29. November 1947, als die UNO die Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat beschlossen hatte, kam es in der syrischen Stadt Aleppo zu schweren Ausschreitungen gegen die 3.000 Jahre alte jüdische Gemeinde. Aus Wut über den Teilungsbeschluss wurden Wohnhäuser, Geschäfte und die Große Synagoge in Brand gesteckt. Das war der Anfang des Endes einer der bedeutendsten jüdischen Gemeinden im Orient. Es war auch der Beginn einer neuen Odyssee des Codex.

Gemäß offizieller israelischer Sprachregelung sei es 1957 gelungen, die "Krone von Aleppo" nach Israel zu schmuggeln und dem damaligen Staatspräsidenten Jitzhak Ben-Zwi zu überreichen.

Doch Friedman entdeckte Widersprüche in dieser offiziellen Darstellung und startete eine vierjährige Recherche.

Tatsächlich hätten israelische Agenten den aus Syrien herausgeschmuggelten Codex schon in der Türkei abgefangen. In Israel habe es einen vier Jahre langen und bis heute geheim gehaltenen Prozess zwischen Juden aus Aleppo und dem Staat gegeben. Erstmals konnte Friedman die geheimen Protokolle einsehen, kopieren und ausgiebig zitieren.

Unsachgemäße Lagerung

Friedman legte den Finger in ein ungeheuerliches Vorgehen der stalinistisch-sozialistisch ausgerichteten staatlichen israelischen Behörden in den fünfziger Jahren, als 850.000 aus arabischen Ländern vertriebene Juden in Israel Zuflucht fanden. Diese jüdischen Flüchtlinge ließen Reichtümer im Milliardenwert in Irak, Jemen, Ägypten und Libyen zurück. Die nun mittellosen Flüchtlinge haben neben ihren Kleidern am Leibe nur ihre Bücher mitgebracht, darunter kostbare mittelalterliche Manuskripte. Die haben heute auf dem Judaica-Markt einen Wert von Hunderttausenden und sogar Millionen Dollar. Wie Friedman anhand zahlreicher Quellen belegen konnte, hätten der israelische Geheimdienst, die Einwanderungsbehörde und sogar der Staat Israel Heilige Bücher der orientalischen Juden systematisch entwendet. Einige "verschwundene" Manuskripte seien nach Jahrzehnten etwa in der Nationalbibliothek wieder "aufgetaucht". Der Aleppo-Codex wurde jahrelang im Jerusalemer Ben-Zwi-Institut in einem Schrank unsachgemäß aufbewahrt und ist teilweise verschimmelt.

Friedman sagte: "Viele Angaben in meinem Buch werden noch heftige Reaktionen auslösen. Klar ist mir, dass ‚verschwundene‘ Teile des Aleppo-Codex noch irgendwo aufbewahrt werden." Die Überlebenden der Gemeinde von Aleppo hätten eine "Mauer des Schweigens" errichtet. Friedman beschreibt, wie offizielle Stellen, Institute und Akademiker bis heute abblocken, sowie er den Codex erwähnte.

Friedmans Buch liefert exklusive Einblicke in die Wirren in arabischen Staaten rund um die Vertreibung der Juden ab den vierziger Jahren, und in obskure Machenschaften des Staates Israel kurz nach seiner Gründung. Die aus Europa stammenden Sozialisten betrachteten die orientalischen Juden als "Primitivlinge" und kulturlos, ein verbreitetes Vorurteil, das bis vor wenigen Jahren wie ein "Geist aus der Flasche" immer wieder beschworen wurde.

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