Mit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und dem Wahlsieg der Moslembrüder in Ägypten, den geistigen Vätern der palästinensischen Moslembrüder, hat die Hamas ihren Handlungsfreiraum weitgehend verloren. Denn heute haben die ägyptischen Moslembrüder aus pragmatischen Gründen ein Interesse, am Friedensvertrag mit Israel festzuhalten, unter anderem, um nicht die finanzielle Unterstützung der USA zu verlieren. Die Ägypter wollen deshalb Provokationen der Hamas nicht dulden.
Ein weiterer Grund für das Stillhalten der Hamas sind die Bemühungen um eine "Versöhnung" mit der Fatah-Partei im Westjordanland, um im Mai Wahlen in den Palästinensergebieten veranstalten zu können. Die Hamas spekuliert auf einen erneuten Wahlsieg. Engste Sicherheitskooperation zwischen Israel und der Autonomiebehörde im Westjordanland einerseits und Raketenkrieg zwischen Israel und dem Gazastreifen andererseits können jedoch kaum auf einen Nenner gebracht werden.
Die Hamas hat zudem in jüngster Zeit ihr Hauptquartier mit "Auslandschef" Khaled Maschal an der Spitze in Damaskus geschlossen und ihre Mitarbeiter nach Jordanien oder in den Gazastreifen abgezogen. Offenbar geschah das in weiser Voraussicht. Die Hamas gibt ihrem bisherigen Partner Baschar Assad keine rosige Chance mehr.
Der Bruch mit Assad hat offenbar zu Spannungen mit dem anderen wichtigen Verbündeten der Hamas geführt: Iran. Bisher haben die Perser die Hamas finanziert, im Kampf ausgebildet und mit Waffen ausgestattet, darunter mit jenen Grad-Raketen, die jetzt auf Israel abgeschossen werden. Grad-Raketen sind eine fortentwickelte Version der alten russischen Katjuscha-Raketen, den "Stalinorgeln" des Zweiten Weltkriegs. Sie haben eine Reichweite von 40 Kilometern und können israelische Großstädte wie Beer Schewa, Aschdod und den Süden Tel Avivs treffen.
Für Iran war das Bündnis mit Hamas von strategischer Bedeutung. Denn Teheran spekulierte darauf, Israel mit Hilfe der Hisbollah im Libanon und der Hamas in Gaza vollständig mit Raketen eindecken zu können, falls es tatsächlich zu dem seit einem Jahrzehnt herbeispekulierten israelischen Angriff auf Irans Atomprogramm kommen sollte.
Israelische Kritiker eines möglichen Angriffs auf Iran sahen vor allem das Raketenpotential von Hamas und Hisbollah als Gefahr für Israel und weniger eine Fähigkeit des Iran, den jüdischen Staat über 3.000 Kilometer hinweg treffen zu können. Wegen dieser Fähigkeit der beiden von Iran aufgerüsteten Organisationen, jeden Punkt in Israel treffen zu können, werden katastrophale Folgen und eine Destabilisierung des Nahen Ostens nach einem israelischen Angriff vorausgesagt. Doch gibt es Anzeichen bei der Hisbollah wie bei Hamas für eine Distanzierung sowohl von Syrien wie von Iran. Noch dementieren die Sprecher einander und noch scheint keine klare Politik ausformuliert worden zu sein.
Weder die Hisbollah im Libanon noch die Hamas wollen auf Seiten des Verlierers in Syrien stehen. Deshalb sind sie heute auch nicht mehr bereit, "Selbstmord" zugunsten des Iran zu begehen und sich wegen politischer Solidarität schmerzhaften israelischen Luftangriffen auszusetzen. Tatsache ist, dass die Hisbollah seit Ende des Libanonkriegs 2006 keine einzige Rakete mehr auf Israel abgeschossen hat, während die Hamas radikale Organisationen vorschickt, um sich nicht selber zum Ziel israelischer Schläge zu machen.
Während das syrische Regime mit dem Aufstand im eigenen Land beschäftigt ist und wohl kaum einen Krieg gegen Israel führen könnte, Irans unmittelbare Verbündete abfallen und der Hamas zusätzlich wegen der Entwicklungen in Ägypten die Hände gebunden sind, ist Iran weitgehend isoliert. Denn die Ölemirate, Saudi Arabien, Jordanien und die Amerikaner in ihren Stützpunkten am persischen Golf fühlen sich von Iran mindestens ebenso bedroht wie Israel.
Ob diese neue strategische Lage einen israelischen oder einen kombinierten Angriff der Amerikaner mit arabischen Verbündeten auf Iran beschleunigt, wäre reine Spekulation, zumal Präsident Barack Obama, die Europäer und Israel, gemäß Aussagen von Ministerpräsident Netanjahu, weiterhin auf eine Wirkung der Sanktionen setzen.
Unklar ist, wie Iran auf diese neue strategische Lage im Nahen Osten reagieren wird, die ausgerechnet durch die Raketenangriffe der populären Volkskomitees und des Islamischen Dschihad an diesem Wochenende deutlich geworden ist.