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„Raheb vertritt fragwürdige Theologie“

JERUSALEM (inn) - Der palästinensische Pfarrer Mitri Raheb stößt unter Christen auf gemischte Resonanz. Dasselbe gilt für die geplante Verleihung des "Deutschen Medienpreises" an den Theologen, bei der Altbundespräsident Roman Herzog die Laudatio halten soll. Zu den Kritikern gehört der Jerusalemer Historiker Malcolm Lowe.

In seinem Brief an Herzog bezieht sich Lowe auf ein Schreiben des Bischofs der Pommerschen Kirche, Hans-Jürgen Abromeit, der auch Vorsitzender des evangelischen "Jerusalemvereins" ist. Dort verwies der Bischof auf eine Rede, die Pastor Raheb 2010 in Bethlehem hielt. In der Ansprache ging es auch um die Annahme des Palästinensers, er stamme vom biblischen König David ab, was hingegen etwa nicht für Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gelte.

"Die Sätze, die Ihnen geschickt wurden und aus dem Zusammenhang eines längeren Vortrages genommen sind, spielen an auf die Thesen, die der Tel Aviver Geschichtsprofessor Shlomo Sand, im Buch ‚Die Erfindung des Jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand‘ veröffentlicht hat, das 2008 auf Hebräisch und 2010 auf Deutsch erschien", schrieb Abromeit. "Das Buch hat eine sehr breite Aufnahme gefunden und wurde – zumal in Israel – sehr kontrovers diskutiert. (Über die Diskussion informiert sehr gut der entsprechende Wikipedia-Artikel.)"

Lowe merkt dazu an: "Bischof Abromeit hat dabei leider nicht überlegt, was Ethnologie sei und was Theologie sei. Der ‚entsprechende Wikipedia-Artikel‘ enthält Argumente verschiedener Art. Nirgends aber findet man dort so etwas wie die Behauptung Rahebs (mehrmals in seiner Rede), der heutige Staat Israel entspreche ‚dem Rom der Bibel‘. Denn dies ist eine rein theologische Aussage, die keineswegs allein aus der Theorie Sands zu folgern ist, sondern von Raheb selbst aufgestellt wurde.

Eine Menge Kritiker fanden die Thesen Sands ziemlich irrig. Nehmen wir doch an, Sand habe mit seiner Meinung völlig recht. Wenn Raheb sich aber auf Thesen über die DNA-Abstammung der heutigen Juden und Palästinenser eine Theologie aufbaut, dann überschreitet er eine verbotene Schwelle.

Das kann jeder gut geschulte deutsche Laie verstehen; dafür muss man kein Bischof sein. Denn wir wissen, wie im Dritten Reich evangelische Pfarrer aus der Kirche entfernt wurden, weil sie angeblich falscher – nämlich jüdischer – Abstammung waren.

Geben wir auch zu, was kaum nachzuweisen wäre, Raheb meine in derselben Rede mit Recht, die Vorahnen der heutigen Palästinenser hätten die Bibel geschrieben. Es ist trotzdem eine zu verwerfende theologische Feststellung, wenn er in jener Rede auch behauptet, gerade daher verstünden allein die palästinensischen Christen aus biblischer Sicht heutige Umstände, andere Menschen aber nicht.

Die Bibel verbietet eine solche Theologie. Man lese nur das Buch Rut. Als fremde Frau im Ausland sprach Rut: ‚Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott‘ (1,16). Genau das hätten die Vorfahren Netanjahus in Europa gesagt, wenn sie wirklich – wie Raheb in jener Rede meinte – zum Judentum konvertierte Europäer waren. Die Lutherübersetzung von 1984 setzt als Überschrift zum Buch Rut: "Eine Ausländerin findet Heimat in Israel". Das heißt: Die Theologie überwindet die Ethnologie.

So wurde Rut zur Urgroßmutter des Königs David (Rut 4,21). Raheb wähnt in der Rede, mit David DNA-verwandt zu sein. Daher entspricht auch Raheb – der eigenen Theologie zufolge – ‚dem Rom der Bibel‘. Wie David und Jesus auch. Das Matthäusevangelium betont bekanntlich die fremden Frauen im Stammbaum Jesu: Rahab und Rut (1,5)."

Zudem widerspricht der Jerusalemer Historiker Lowe der Presseerklärung zum Medienpreis: "Dort steht zum Beispiel: ‚Raheb hat eine ganze Infrastruktur von Schulen, Gesundheitszentren und Begegnungsstätten geschaffen…’" Im Wikipedia-Artikel über den Palästinenser heiße es hingegen, ihm gehöre bloß EINE Schule und EIN Gesundheitszentrum. Und beide befänden sich in einem und demselben Gebäude. Auch habe Raheb lediglich EINE Begegnungsstätte: "the International Center of Bethlehem". Das Fazit: "Es mag sein, dass mancher Politiker übertreibt. Von einem vormaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts erwartet aber jeder Mensch die schlichte Wahrheit."

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