Mal werden jene Israelis fleißig gezählt, die sich bei der deutschen Botschaft in Tel Aviv den ihnen zustehenden Pass holen. Dann wird über jene berichtet, die aus vielerlei Gründen Israel den Rücken gekehrt haben, freilich ohne zum Ausgleich die Einwanderer zu zählen. Mit entsprechenden Hochrechnungen versuchen jene dann zu ermitteln, wann der "letzte Israeli" am Flughafen das Licht ausschaltet.
Kürzlich hatte Eva C. Schweitzer unter dem Titel "Das gelobtere Land" in der "Jüdischen Allgemeinen Zeitung" einen Bericht über israelische Auswanderer in New York geschrieben. Unter Berufung auf die "New York Daily News" von 2005, die wiederum das israelische Generalkonsulat zitierte, wird da behauptet, dass allein in den USA 800.000 Israelis leben.
Da es gemäß Angaben des israelischen statistischen Amtes insgesamt 7,8 Millionen Israelis gibt, darunter etwa 6 Millionen Juden, hätten also weit über 10 Prozent aller Israelis ihr Land verlassen, zumal noch jene mitgezählt werden müssen, die in Europa und sonst wo leben. Man könnte den Eindruck gewinnen, als gäbe es kein zweites Land auf Erden, aus dem die Bevölkerung so rasant wegdrängt, trotz akuter Wohnungsnot und intensiver Bautätigkeit und trotz zunehmend unerträglicher Staus auf den Straßen sowie beständig steigender Importe von Autos, Kühlschränken und Fernsehgeräten.
Keine exakten Angaben
"Glaube keiner Statistik, solange du sie nicht selber gefälscht hast", lautet ein gängiger Spruch. Die Sprecherin des statistischen Amtes in Jerusalem gesteht, aus guten Gründen keine exakten Angaben machen zu können. Denn es gebe keine Pflicht für Israelis, sich abzumelden, wenn sie auswandern. Um dennoch "fehlende Israelis" wenigstens schätzungsweise ermitteln zu können, gilt für die Statistik ein Israeli als "ausgewandert", wenn er sich ein Jahr lang außerhalb des Landes aufhalte. So ist etwa ein israelischer Student "ausgewandert", wenn er zwei Jahre lang in den USA seine Doktorarbeit schreibt. Umgekehrt gilt ein vor dreißig Jahren tatsächlich ausgewanderter Israeli als wohnhaft in seiner Heimat, wenn er jedes Jahr zu den hohen Feiertagen seine Familie besucht.
Die Sprecherin habe tatsächlich mal die Zahl 800.000 ausgewanderter Israelis gehört. Doch das sei die geschätzte Gesamtzahl aller Israelis, die das Land seit 1948 verlassen hätten und nicht wieder heimgekehrt seien. Von denen seien allerdings rund 130.000 verstorben. Andererseits sei unbekannt, wie viele Kinder die ausgewanderten Israelis hätten und ob denen ein israelischer Pass zustünde.
Gemäß der besagten Ungenauigkeit wurde errechnet, dass in den vier Jahren zwischen 2006 und 2009 jährlich etwa 22.000 "nicht zurückgekehrt" seien. Insgesamt halten sich heute mutmaßlich zwischen 543.000 und 570.000 Israelis ständig im Ausland auf, und nicht 800.000 allein in Amerika, wie in dem Artikel von Schweitzer behauptet.
Die Sprecherin erklärte, dass ihr Amt nicht einmal die genaue Zahl der Einwohner von Tel Aviv ermitteln könne. Denn viele in Tel Aviv gemeldete "Einwohner" unterlassen es, ihren Umzug nach Ramat Gan, Holon oder in andere Städte in der Peripherie zu melden. Sie wollen nicht das Anrecht verlieren, im Stadtgebiet von Tel Aviv mit entsprechender Vignette am Auto kostenlos parken zu dürfen.