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Peres: „Im Herzen bei der rebellierenden Jugend“

BERLIN (inn) - Die Vergangenheit sei heute für die politische Entscheidungsfindung unerheblich und Erfahrung werde überbewertet. Diese Ansicht vertritt der israelische Staatspräsident Schimon Peres in einem Essay, den die Tageszeitung "Die Welt" am heutigen Montag abgedruckt hat. Darin wendet er sich vor allem an die internationale Jugend.

"Mit meinen nun beinahe 90 Lebensjahren kann ich mich an keine Zeit erinnern, in der die Vergangenheit für die politische Entscheidungsfindung so unerheblich war wie heute", schreibt Peres unter dem Titel "Der Jugend die Zukunft". "Keine der bedeutenden Entwicklungen der Gegenwart wurde von irgendjemandem vorhergesehen. Die einzige Gewissheit besteht darin, dass die Zukunft von wissenschaftlichem Fortschritt und Innovation bestimmt sein wird. Daher nimmt die traditionelle Macht von Staaten und Staatenlenkern ab. In der globalisierten Wirtschaft von heute üben Erneuerer den größten Einfluss aus."

Die Geschicke lägen in den Händen einer jüngeren Generation, fügt der 88-jährige Politiker an. "Sie ist technologisch versierter als ihre Eltern und untereinander durch soziale Netzwerke verbunden, die Landesgrenzen, Sprachbarrieren oder unterschiedliche Regierungsformen überwinden. Die jungen Gründer von Facebook und Google üben größeren globalen Einfluss aus als viele Staatsoberhäupter und Generäle. Diese jungen Menschen bilden auch die Speerspitze sich formierender politischer Protestbewegungen." Hier nennt er den "arabischen Frühling", die Zeltdemonstrationen in Israel, "Occupy Wall Street" und die Proteste in Russland. Diese Demonstrationen markierten keinen Kampf der Kulturen, sondern ein Gefecht der Generationen.

"Israel will nicht mehr einzige Demokratie der Region sein"

Peres beschreibt die israelische Sicht der "Arabellion": "Wir sind im Herzen bei den rebellierenden Jungen und ihrer legitimen Sehnsucht nach Freiheit und Grundrechten, die es ihnen ermöglichen sollen, sich Gehör zu verschaffen, ihre politische Führung zu wählen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Israelis warten auf den Tag, an dem ihr Land nicht mehr die einzige Demokratie in der Region sein wird, denn die Existenz als Insel des Wohlstands inmitten eines Meeres von Armut ist unnatürlich." Radikale Fundamentalisten allerdings, die bei Wahlen die Kontrolle über weniger gut organisierte Liberale gewinnen könnten, hätten für die grundlegenden Probleme der Region keine wirklichen Lösungen anzubieten.

Der Staatspräsident äußert die Meinung, dass Israel anderen für den Weg zu wirtschaftlichem Wohlstand und gesellschaftlicher Freiheit als Beispiel dienen könne. "Denn sein Erfolg liegt in der Tatsache begründet, dass das Land zu Beginn absolut nichts hatte. Bei unserer Rückkehr in die Heimat waren wir zwar reich an Geschichte, aber arm an natürlichen Ressourcen. Wir konnten lediglich auf unser Humankapital zurückgreifen. Daher investierten wir in Bildung und Wissenschaft. Aus diesem Grund verfügen wir heute pro Kopf über den höchsten Prozentsatz an Wissenschaftlern und Patenten. Ungefähr 95 Prozent unserer Landwirtschaft beruht auf Hochtechnologie. Wir verbrauchen weniger Wasser und haben dennoch höhere Ernteerträge pro Quadratmeter Anbaufläche als jedes andere Land der Welt."

Der Friedensnobelpreisträger bietet bedürftigen Ländern israelische Unterstützung an. "Gemeinsam und in Frieden mit unseren Nachbarn können wir eine Region der Hoffnung, der Entwicklung und des Erfolgs gestalten." Vor allem müsse der Konflikt mit den Palästinensern beendet werden. "Israel wurde nicht geschaffen, um ein anderes Volk zu beherrschen, und darin liegt auch nicht Israels Bestimmung." Die Lösung des Konfliktes würde helfen, die Region durch Neutralisierung der Extremisten zu stabilisieren. Besonders der Iran sei "eine Quelle moralischer Verkommenheit". Deshalb müsse die Weltgemeinschaft verhindern, dass er Atomwaffen erlange.

Peres fordert in dem "Welt"-Artikel eine grundlegende Änderung der Methode, nach der Kinder auf den Umgang mit der Welt von heute vorbereitet werden. Bildung müsse allen die Möglichkeit bieten, ihr Potenzial auszuschöpfen. "Ich schreibe diesen Artikel mit 88 Jahren, aber nicht, weil ich aus Erfahrung gelernt habe. Im Gegenteil: Erfahrung ist überbewertet und schränkt vielfach den Mut ein, der nötig ist, um sich der Zukunft zu stellen und eine beispiellose neue Welt zu schaffen. Die Zukunft ist schon da. Der Blick zurück hat keinen Sinn."

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