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Patriarch: Nein zum Boykott, Ja zum Frieden

JERUSALEM (inn) - "Religionen sind ein Faktor des Friedens" und haben "eine besondere Verantwortung, den Menschen zu helfen, Frieden zu stiften". Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Fuad Twal, vermied in seiner traditionellen Weihnachtsbotschaft jedes Wort, das im höchst sensiblen Gefüge des Nahen Ostens Anstoß erregen könnte. Den Umbruch in der arabischen Welt sieht der höchste Repräsentant der katholischen Kirche im Heiligen Land mit verhaltenem Optimismus.

Gut gelaunt, geradezu jovial empfing der kirchliche Karrierediplomat am späten Vormittag des 21. Dezember die Vertreter der Presse im lateinischen Patriarchat in der Jerusalemer Altstadt, um seine Weihnachtsbotschaft zu verlesen. Begleitet wurde der Patriarch bei seiner Pressekonferenz unter anderen von Bischof Giacinto Marcuzzo, dem patriarchalen Vikar in Israel, Bischof William Schomali, dem patriarchalen Vikar für Jerusalem, Pater David Neuhaus, der im Auftrag des Patriarchen für die hebräisch-sprachigen Katholiken zuständig ist, und Monsignore Kamal Bathisch.

Twal blickte auf das zu Ende gehende Jahr 2011 zurück und verlieh seinen "Sorgen, Hoffnungen und Erwartungen am Vorabend des neuen Jahres" Ausdruck. Streng gegliedert äußerte er sich zum interreligiösen Dialog, zur Ökumene, zum arabischen Frühling, zum palästinensischen Antrag auf UNO-Mitgliedschaft, zu seinen Reisen in die palästinensische Diaspora, zur pastoralen Versorgung von Migranten in Israel und zum Jahr der Bibel der religiösen Gemeinschaften im Heiligen Land, das mit diesem Jahr zu Ende geht.

Der gebürtige Jordanier Twal sprach sich im Blick auf die Umbrüche in der arabischen Welt für "Frieden und Demokratie" aus und forderte seine Mitchristen auf, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Heimat und ihrer Zukunft zu beteiligen. "Es war ein guter Anfang", kommentierte er den arabischen Frühling und meinte weiter: "Wir sind ein wenig besorgt. Wir sind gegen jede Gewalt!"

Deutliche theologische Aussagen

Während sich der Kirchendiplomat politisch nicht fassen ließ, machte er theologisch klare Aussagen: "Wir haben kein Recht zu verzweifeln. Wir haben kein Recht Angst zu haben. Wir verlassen uns nicht auf geopolitische Umstände, sondern auf das Wort des Herrn, der gesagt hat: Fürchtet Euch nicht. Ich bin bei Euch und werde Euch meinen Frieden geben!"

Eigenartig verhalten fiel auch sein Kommentar zum israelisch-palästinensischen Friedensprozess aus. Lediglich die formelhafte Forderung nach einem "gerechten und umfassenden Frieden" könnte pro-arabisch gedeutet werden. Das klare Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung, die Aussage "sich für eine Partei auszusprechen, bedeutet nicht gegen die andere zu sein" und sein Plädoyer für "Verhandlung als der beste Weg zur Lösung des Konflikts" machen die katholische Kirche in diesem Jahr fast zum Fürsprecher israelischer Regierungspolitik.

Angesprochen auf die jüngsten Boykottaufrufe des christlichen Bürgermeisters von Bethlehem gegen Israel, antwortete Twal: "Ich habe noch nie von diesem Boykott gehört. Wir brauchen Frieden. Ich glaube nicht, dass wir einen Boykott brauchen."

Auch in das saisonübliche Klagelied über Siedlungen, Besatzung, Mauer und Abriegelung wollte er in diesem Jahr nicht einstimmen. Keines dieser international so beliebten Schlagworte fiel auf der Pressekonferenz aus kirchlichem Munde. Auf Drängen von Journalisten meinte er schließlich: "Die israelischen Behörden haben in diesem Jahr mehr als 15.000 Passierscheine für einheimische Christen ausgestellt. Dafür sind wir dankbar."

Einsatz für christliche Migranten

Einer ganz neuen Herausforderung sieht sich die christliche Gemeinschaft im Heiligen Land durch den Zustrom von Hunderttausenden von Flüchtlingen gegenüber. Diese Migranten kommen vor allem aus Afrika und Asien und suchen im jüdischen Staat Israel Zuflucht und eine bessere Zukunft. Die überwältigende Mehrzahl von ihnen sind Christen. Pater David Neuhaus, vom Patriarchen für die Betreuung der Migranten beauftragt, beruft sich auf israelische Quellen, wenn er von "400.000 bis 800.000 Nicht-Israelis und Nicht-Arabern" spricht, die sich in den vergangenen zehn Jahren längerfristig in Israel niedergelassen haben.

Neuhaus bezeichnet es als "faszinierende Herausforderung", auf eine Bevölkerung zugehen zu können, die "weit mehr in der israelisch-jüdisch-säkularen Kultur beheimatet ist, als in der Kirche" – dabei aber Christen sind. "Diese Asylanten und Gastarbeiter gehören zu den Ärmsten der Armen und leben in einem sehr verletzbaren Umfeld, ohne Staatsbürgerschaft, ohne Aufenthaltserlaubnis, ohne Rechte." Tausende von Kindern wurden in den vergangenen Jahren in diesem Umfeld geboren. Die ersten leisten mittlerweile Militärdienst in der israelischen Armee.

Leidenschaftlich betont der in Südafrika in einer jüdischen Familie aufgewachsene katholische Priester David Neuhaus: "Die arabische Kirche muss ihre Arme ausbreiten und diese Menschen willkommen heißen. Sie muss sich um ihre geistlichen Nöte kümmern. Das ist unsere Pflicht und unsere Berufung!"

In seltenem Einklang mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu schloss der lateinische Patriarch seine Weihnachtsbotschaft mit einer Einladung an alle Christen, das Heilige Land zu besuchen: "Haben Sie keine Angst. Wir werden Sie herzlich willkommen heißen. Kommen Sie als Pilger. Das ist einer der schönsten Wege, das Heilige Land zu lieben und für das Land und seine Kinder zu beten. Das irdische Mutterland Jesu braucht Sie – und Sie brauchen dieses Land!"

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