Israels Regierung lehnt den Vorstoß von Präsident Mahmud Abbas ab, in der UNO die Anerkennung eines "Staates Palästina in den Grenzen von 1967" als 194. Mitglied einzufordern. Das sei ein Bruch der Osloer Verträge und widerspreche dem derzeit gültigen Friedensplan des Nahostquartetts, der "Roadmap", zu der sich Israel und die Palästinenser verpflichtet haben. Israelische Intellektuelle diskutieren die palästinensische Idee kontrovers. Einige befürworten den Schritt, ignorieren aber kritische Details. Andere sprechen sich dagegen aus, übersehen aber, dass es in den besetzten Gebieten längst einen Quasi-Staat mit beschränkter Souveränität gibt.
Grundsätzlich hat die israelische Regierung 2003 mit der "Roadmap" einen palästinensischen Staat als Verhandlungsziel akzeptiert. Denn der Zusatz zum Titel lautet: "Eine ergebnisorientierte Straßenkarte für eine dauerhafte Zwei-Staaten-Regelung zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts". Außenminister Avigdor Lieberman und Netanjahu haben bei ihrem Amtseid die "Straßenkarte" zur bindenden Grundlage ihrer Politik erklärt.
Im Jahr 1993 hat Israel die PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes anerkannt. Längst war akzeptiert, dass der jüdische Staat auf Dauer nicht über Millionen Araber (Palästinenser) herrschen könne. Um ein Staat mit jüdischer Mehrheit und Demokratie bleiben zu können, müsse Israel die Palästinenser in die Eigenstaatlichkeit entlassen. Linke wie rechte Regierungen erhielten deshalb in der Knesset eine Mehrheit, um "biblische" Städte wie Sichem (Nablus) unter palästinensische Kontrolle zu stellen. Netanjahu hat 1996 Teile der "heiligen" Stadt Hebron abgegeben und mehr Land den Palästinensern überreicht, als die "linke" Regierung unter Rabin. Der "Hardliner" Ariel Scharon hat 2005 den Gazastreifen komplett von Siedlern und Besatzungssoldaten geräumt und fast den ganzen Norden "Samarias", also des Westjordanlandes.
Israel stört der "einseitige" Schritt von Abbas wegen des Versuchs, den Konflikt zu internationalisieren. Nur mit Verhandlungen könnten einvernehmlich Lösungen für ausstehende Fragen wie Grenzen, Jerusalem und Flüchtlinge gefunden werden.
Ein Bruch der Osloer Verträge hätte fatale Folgen für beide Seiten. Israel müsste die Autonomiebehörde auflösen und die Palästinenser setzen alle Abmachungen aufs Spiel, die ihnen eine Quasi-Staatlichkeit beschert haben.
Israel rechnet mit gewaltsamen Demonstrationen
Angenommen, alles bleibt beim alten, gemäß dem Motto "nach dem September kommt der Oktober", rechnet Israel mit Demonstrationen, Massenmärschen und Gewalt frustrierter Palästinenser. Denn die würden schnell merken, dass Abbas ihnen einen Traum vorgegaukelt hat, ohne auch nur eine Siedlung oder Straßensperre abzuschaffen. Ihre Wut würden sie an Israelis auslassen und nicht an jenen, die sie in die Irre geführt haben.
Außer Drohungen, zuletzt am Mittwoch von Lieberman, dass dieser Schritt "schlimme Konsequenzen" nach sich ziehen werde, ist unbekannt, wie Israel reagieren will. Es besteht eine enge Abstimmung israelischer und palästinensischer Sicherheitskräfte im Westjordanland, um unkontrollierte Gewalt zu verhindern. Ebenso wurde gesagt, dass Israel keine Reservisten einzieht. Netanjahu hat die zuständigen Behörden aufgefordert, ihm alternative Vorschläge für Reaktionen auf mögliche Szenarien auszuarbeiten.
Noch versuchen USA, EU und das Nahost-Quartett in letzter Minute eine Kompromisslösung zu finden oder Abbas zu bremsen. Israel wurde schon aufgefordert, auf Wirtschaftssanktionen zu verzichten. Laut Medienberichten könnte Netanjahu einen "Staat Palästina als Nicht-Mitglied" (ähnlich wie der Vatikan) und Verhandlungen "auf der Basis der Grenzlinien von 1967" akzeptieren, falls die Palästinenser Israel als "Staat der jüdischen Nation" anerkennen und ein "Ende des Konflikts" unterschreiben. Dem verweigert sich Abbas (noch), weil es das "Rückkehrrecht der Flüchtlinge" ausschließt.
Israels Reaktion wird erst erkennbar sein, nachdem Abbas in New York seine Pläne publik gemacht hat.