"Ich wollte ein Zeichen setzen", sagt Said, wenn er danach gefragt wird, warum er sich für seinen Gedichtband ausgerechnet die Hilfe eines Israelis holte. 2009 erschien "Das Haus, das uns bewohnt" (Lyrik Kabinett München, 20 Euro). Es ist ein Dialog aus Gedichten des Iraners Said und des Israelis Asher Reich. Keiner von beiden verfasste dazu etwas Neues. Die Gedichte waren schon geschrieben, sie mussten nur zusammengefügt werden wie ein Puzzle.
"Die Poesie ist unser gemeinsames Haus", sagt Said. Es ist ein Haus fernab des Hasses zwischen zwei Nationen, die weit mehr sind, als ihre politischen Führer, wie Asher Reich sagt. Der Hass sei nicht auf den Straßen Jerusalems oder Teherans angekommen, glaubt er, und: "Regierungen kommen und gehen, aber das Volk bleibt." Er will sogar eine gemeinsame dichterische DNA von Persern und Hebräern ausmachen können. Die beiden Autoren trafen in Berlin im Rahmen der Jüdischen Kulturtage aufeinander. Noch bis zum 18. September steht die Stadt im Zeichen jüdischer Kunst.
"Gestank der Religion"
Reich wuchs im jüdisch-orthodoxen Viertel Mea Schearim in Jerusalem auf. Mit 18 flüchtete er aus der religiösen Enge des Viertels. Heute lebt er in Tel Aviv. Said kam während seiner Studienzeit, 1965, nach Deutschland – und blieb. Er bezeichnet sich als Gegner des iranischen Regimes. Seine Heimat sah er zum letzten Mal im Jahr 1979. Heute lebt er in München. Said verfasst seine Gedichte auf Deutsch. "Als ich meinte, ich habe etwas zu sagen, wusste ich schon, dass ich im Iran nicht veröffentlichen darf", erklärt er das. So kennen beide Autoren den Heimatverlust. In ihren Gedichten setzen sie sich mit diesem Thema auseinander, es geht um Liebe und Exil, um Kindheit und Religion.
"Jerusalem stinkt von zu viel Religion", sagt Reich. Dennoch sei die Stadt etwas Besonderes. Nach Mea Schearim wolle er dennoch nicht zurückkehren: "Dort gibt es keine Entwicklung, die Zeit ist tot." Reich verurteilt den Versuch der Orthodoxen, sich durch Äußerlichkeiten vom Rest der Welt abzugrenzen: "Sie zeigen: Du bist anders – das ist falsch." Dennoch ist Reichs Kreativität eng mit seiner streng religiösen Erziehung verknüpft. "Ich bin ein Dichter geworden, weil ich Gebete und Schriften lernen musste – das ist reine Poesie", sagt er.
Auch Said fühlt sich als Fremdkörper in seiner Heimat Teheran. "Es ist nichts mehr da", sagt er über den Ort seiner Kindheit. 1979 wollte er sein Geburtshaus aufsuchen. Es war sein letzter Besuch im Iran. Ein 16-jähriger Soldat mit Maschinengewehr in der Hand vertrieb ihn. "Die Stadt will mich nicht und kennt mich nicht", meint Said. Dennoch hat er eine Hoffnung: "Wir haben gesiegt, wenn wir in Teheran auftreten", sagt er halb zu Asher Reich, halb zum Publikum. Das gemeinsame Auftreten mit dem Israeli und Freund, will er als Politikum verstanden wissen – anders als seine Schriften. Ganz gezielt habe er sich Reich als Mitautor ausgesucht, weil er eben keine politischen Gedichte schreibe. Der Israeli stimmt zu: Eine politische Schrift sei ein Pamphlet. Mit Poesie habe das nichts zu tun.
Politisch oder nicht, Asher Reich und Said haben am Dienstag in Berlin gezeigt, wo politische Hoheiten ihre Kraft verlieren und die Liebe übernimmt. Es scheint, als habe Said das vorausgesehen. "Wie sehr wir uns ähneln/ Zwei von verschiedenen Rudeln/ Wir alle sind ewige Juden/ Ich habe Heimweh nach deiner Umarmung", dichtete er einst.