Bewusst halten die Demonstranten Politiker von ihren Kundgebungen fern. Die Großdemonstration in Tel Aviv war eher ein Popkonzert mit beliebten Sängern wie Schlomo Artzi und Rita. Nicht einmal die allmächtige Gewerkschaft Histadruth durfte Profil zeigen.
In Israel, wie in jedem anderen Land, gibt es zahllose gewachsene Strukturen, die sich als Segen für die Wirtschaft des Landes, aber als Fluch für viele Bürger herausstellen. Dazu gehört auch die Methode, die "Miete" in die eigene Tasche zu zahlen, indem man mit einer Hypothek eine Eigentumswohnung kauft und den Kaufpreis dann 25 Jahre lang abstottert. Studenten, junge Paare mit Kleinkindern, Alte und Kranke können die außerordentlich hohen Lebenskosten kaum bestreiten, obgleich das Durchschnittseinkommen bei 1.800 Euro liegt. Lebensmittel sind teurer als in der EU oder in den USA.
Da gibt es viel zu korrigieren und die verfügbaren Gelder vielleicht anders zu verteilen. So wurde vorgeschlagen, Multimillionäre und Großkonzerne höher zu besteuern. Schon wird darüber geredet, den Verteidigungshaushalt zu kürzen, während gleichzeitig die Armee aufgerufen ist, wegen erneutem täglichem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen wieder ein besonders teures Abwehrsystem, die "Eisenkappe", aufzustellen.
Keine klare Linie
Auch die Demonstranten wissen, dass man nicht gleichzeitig Steuern senken und mehr Ausgaben für Soziales, für Infrastruktur und Verteidigung verlangen kann. Deshalb sind die Proteste eigentümlich unpolitisch und nicht gegen die Regierung gerichtet. Sie wirken eher wie ein Sommervergnügen, wie eine "Sushi-Party", während die 400 Zelte auf dem Mittelstreifen des mit schattenspendendenden Bäumen versehenen Rothschild-Boulevard in Tel Aviv mit "Woodstock" verglichen werden. Gerade weil diese Protestbewegung viel zu viele Ziele hat und keine klare politische Linie verfolgt, droht sie, im Sande zu verlaufen. Gleichwohl ist Israels Regierung gut beraten, die Beschwerden aufzugreifen, damit es nicht in Zukunft zu ernsthafteren Protesten kommt.