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Analyse: Bundestagsbeschluss mit mangelndem Vorwissen

Der einstimmig von allen Bundestagsfraktionen angenommene Beschluss zu den Ereignissen um die "Gaza-Flottille" wurde von den israelischen Medien nicht wahrgenommen. Die wichtigsten Zeitungen Israels veröffentlichten darüber am Sonntag kein Wort.

Wenn die Abgeordneten schon im Eingangssatz feststellen, dass auch israelische Soldaten verletzt wurden, liegt auf der Hand, dass nicht nur die Soldaten, sondern auch die „Aktivisten“ mit Gewalt vorgingen. „Es bestehen starke Hinweise, dass beim Einsatz von Gewalt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wurde.“ Das mag sein. Wahrscheinlich meinen die Abgeordneten, dass dieser Grundsatz gewahrt geblieben wäre, wenn es auch ein paar Tote unter den israelischen Soldaten gegeben hätte. Nicht zum ersten Mal wird Israelis vorgeworfen, im Vergleich zu ihren Feinden weniger Verluste zu erleiden. Doch wenn ein einziger Selbstmordattentäter Dutzende Israelis tötete, wurde noch nie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zitiert.

Weiter heißt es in der Resolution: „Die Blockade Gazas ist aber kontraproduktiv und dient den politischen und Sicherheitsinteressen Israels letztlich nicht. Das erklärte Ziel der Freilassung des von Kräften der Hamas widerrechtlich festgehaltenen Angehörigen der israelischen Streitkräfte Gilad Shalit ist bislang nicht erreicht. Die islamistische Hamas ist nicht geschwächt, sondern profitiert politisch und wirtschaftlich … von der Blockade.“

Wie Stammtischstrategen empfehlen die Abgeordneten den Israelis, am deutschen Wesen zu genesen. Haben die Damen und Herren in Berlin wirklich alles in Betracht gezogen, was den Sicherheitsinteressen Israels dient? Besteht die Blockade wirklich nur wegen dem seit vier Jahren „von Kräften der Hamas“ in Geiselhaft festgehaltenen Soldaten Gilad Shalit? Warum machen sie die Hamas nicht direkt verantwortlich? Sind die im sicheren Berlin sitzenden Abgeordneten aller Fraktionen bereit, die Verantwortung zu übernehmen, falls die gewählte israelische Regierung deren Vorstellungen von „Sicherheitsinteressen“ übernimmt, die Blockade aufhebt, die Grenzen für den Personenverkehr (wohl auch für Selbstmordattentäter der Hamas) öffnet und die Lieferung von Zement für den Bau von Abschussrampen von Raketen akzeptiert? Die Unterstellungen der deutschen Abgeordneten sind eine Anmaßung, die sich im umgekehrten Fall keine deutsche Regierung gefallen ließe.

Profitierte die Hamas?

Interessant wäre es, zu erfahren, wie man im Berliner Reichstag gemessen hat, dass die islamistische Hamas nicht geschwächt wurde, sondern profitiere. Vor Ort gibt es da andere Ansichten. Wenn die im Gazastreifen regierende Hamas nun schon zweimal Banken überfallen und ausrauben musste, weil sie pleite ist, scheint es mit ihrem politischen wie wirtschaftlichen Profit nicht mehr so weit her zu sein. Man hört auch zunehmend Stimmen von Menschen im Gazastreifen, die unter dem diktatorischen Regime der Hamas leiden. Vielleicht ist die gemeinsam von Ägypten (!) und Israel verhängte, von der Autonomiebehörde in Ramallah geduldete Blockade effektiver, als man in Berlin wahrnimmt.

Geradezu weltfremd und von Unwissen geschlagen ist der Vorschlag, bei Ägypten auf einen kontrollierten Grenzverkehr hinzuwirken und Israel sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde das Angebot zu machen, „durch die Ausbildung von palästinensischen Grenzschutzkräften ein konstruktives internationales Grenzmanagement aufzubauen“. Offenbar haben die deutschen Abgeordneten keine Zeitung gelesen, als die Hamas im Juli 2007 im Gazastreifen geputscht hat. Bei der Gelegenheit haben die Islamisten nicht nur die Vertreter der Autonomiebehörde entmachtet, vertrieben oder ermordet. Offenbar weiß man im Bundestag nicht einmal, dass damals auch Zöllner der EU (darunter Deutsche) am Grenzübergang zu Ägypten die Flucht ergriffen haben. Alle Abmachungen zwischen Israel, der Autonomiebehörde, der EU und Ägypten wurden damals von der Hamas eigenhändig zerstört. Das jetzt gewünschte „konstruktive internationale Grenzmanagement“ gab es längst. Ägypten würde vertragsbrüchig, wenn es ohne israelisches Einverständnis seine Grenze zum Gazastreifen öffnet. Und wie sollen die von der EU ausgebildeten palästinensischen Zöllner zu ihren Posten entlang der Grenze gelangen, wenn die Hamas sie nicht in den Gazastreifen hereinlässt?

Dieser Vorschlag zeugt von Naivität und einem gefährlichen Unwissen. Der Staat Israel, dessen Existenzrecht laut Bundestagsresolution erst noch anerkannt werden muss, sollte sich nicht von deutschen Parlamentariern seine eigenen „Sicherheitsinteressen“ vorschreiben zu lassen, wenn jenen nicht einmal elementare Fakten bekannt sind.

Den Antrag der Fraktionen CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN finden Sie hier.

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