Die Hamas sei schwer getroffen, sagte Olmert, und werde an den Folgen des Krieges mit Israel noch lange zu knabbern haben. Viele Hamaskämpfer und manche ihrer Kommandeure seien getötet worden. Die Raketenproduktion sei zerstört, ebenso der Rüstungsnachschub durch die Tunnel aus dem Sinai schwer getroffen. Ein Großteil der Raketenabschussmöglichkeiten, so der israelische Regierungschef, sei unter der Kontrolle der israelischen Armee.
Jetzt geht es darum, einen Wiederaufbau der Hamas-Miliz zu verhindern. Hauptanliegen dabei: Den Waffenschmuggel aus dem Iran und Syrien in den Gazastreifen zu unterbinden. Ägypten und die Europäer wollen dabei tatkräftig mithelfen. Deshalb trafen sich auch die Regierungschefs von Italien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Tschechien spontan auf Einladung des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak in Scharm el-Scheich an der Südspitze der Sinaihalbinsel.
Bilanz des Krieges
Die menschliche Bilanz des dreiwöchigen Krieges: 1.200 Palästinenser und 13 Israelis verloren ihr Leben. Die schockierenden Bilder von den Zerstörungen aus dem Gazastreifen werden wohl erst umfassend an die Öffentlichkeit kommen, wenn ausländische Journalisten in den Gazastreifen einreisen dürfen. Die Trauma- und Schockgeschädigten auf beiden Seiten werden noch jahrelang an den Folgen zu leiden haben. „Wir haben keinen Konflikt mit der Zivilbevölkerung“, bemühte sich Ehud Olmert zu betonen und entschuldigte sich im Namen der israelischen Regierung für alle unschuldigen Opfer des Feldzugs. Direkt an die Bewohner des Gazastreifens gewandt, meinte er beschwörend: „Wir hassen Euch nicht! Wir wollen Euch nicht treffen! Euer Leiden ist furchtbar und berührt unsere Herzen!“
Verteidigungsminister Ehud Barak betont: Keine Armee der Welt habe je so viel getan, um im Kampf gegen eine Miliz, die sich hinter der Zivilbevölkerung versteckt, die Zivilisten zu schützen. Er erinnert daran, wie viele Flugblätter aus der Luft abgeworfen worden seien, um den Palästinensern Bombardements anzukündigen und: „Wir haben eine Viertel Million Telefonanrufe getätigt, um die Zivilbevölkerung zu warnen.“
Schalit kein Teil des Abkommens
„Und was ist mit Gilad?!“ titeln die israelischen Tageszeitungen am Morgen nach der nächtlichen Erklärung. Die Eltern des seit zweieinhalb Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit hatten in aller Öffentlichkeit darum gefleht, ihren Sohn nicht im Gazastreifen zurückzulassen. Doch der ist nicht Teil des Waffenstillstandsabkommens und bleibt weiter in Hamas-Geiselhaft. „Aber Gilad Schalit steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste“, versprach Olmert. Die Regierung bemühe sich auf vielen Kanälen, den entführten Soldaten nach Hause zu bringen. Barak erinnerte an ein „ungeschriebenes Bündnis mit den Eltern der Soldaten“, das nicht gebrochen werden dürfe.
Wenn Ruhe herrscht, wird die israelische Armee innerhalb von zwei oder drei Tagen den Gazastreifen verlassen. Das betonen nicht nur der Regierungschef und sein Verteidigungsminister. Davon sind auch Beobachter aller Couleur überzeugt. Denn „Israel ist nicht ausgezogen, um den Gazastreifen wieder zu besetzen“. Der Albtraum der israelischen Bevölkerung ist, noch einmal im Sumpf eines Nachbarlandes stecken zu bleiben und über Jahr hinweg einen hohen Blutzoll dafür bezahlen zu müssen, eine feindliche Bevölkerung unter Kontrolle zu halten.
Aber die Hamas ist nicht Partner dieser Waffenstillstandsentscheidung. Es ist ein einseitiger Waffenstillstand, den Israel entschieden hat. „Sollte die Hamas weiter Terror gegen Israel ausüben, wird sie – oder auch andere Terror-Organisationen – noch einmal überrascht werden“, droht Olmert. „Ich würde an dieser Stelle sehr gerne sagen: Nie wieder Krieg!“, wird Ehud Barak in seiner Waffenstillstandserklärung um Mitternacht schon fast pathetisch: „Aber die Hamas, die Hisbollah, Syrien und der Iran produzieren weiter Extremisten, gegen die wir uns wehren müssen.“
Wie kann die Hamas zur Einsicht gebracht werden?
So bleibt abzuwarten, ob die Waffen nach dieser Waffenstillstandserklärung wirklich schweigen werden. Bis zur Mittagszeit des ersten Waffenstillstandstages fielen immerhin schon wieder fünf Raketen auf Israel – glücklicherweise ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Wenn der einseitige Waffenstillstand den Raketenbeschuss Südisraels nicht bleibend verhindert, wird die israelische Regierung unglaubwürdig in den Augen der eigenen Bevölkerung. Zudem besteht die ernsthafte Gefahr, dass wieder einmal die Extremisten der Region eine militärische Niederlage in einen propagandistischen Sieg ummünzen. Auch wenn die Hamas mittlerweile eine einwöchige Feuerpause erklärt hat, bleibt die große Frage weiterhin: Wie kann die Hamas zu der Einsicht gebracht werden, dass ein Existenzkampf gegen Israel aussichtslos ist? Dass sich Terror nicht auszahlt? Dass Israel nicht ungestraft angegriffen werden darf?