Suche
Close this search box.

Ende der Eiszeit? – Wiederaufnahme der syrisch-israelischen Verhandlungen

Am 21. Mai 2008 bestätigte das Büro von Premierminister Ehud Olmert offiziell, dass Israel durch Vermittlung der Türkei Friedensverhandlungen mit Syrien beginnen werde. Israelischen Presseberichten zufolge sollen sich israelische und syrische Vertreter seit September 2004 mehrfach in Europa zu Geheimverhandlungen getroffen haben. Das letzte Treffen habe im Juli 2006 während des Zweiten Libanonkrieges stattgefunden. Jetzt betont die israelische Regierung, die Verhandlungen mit den Syrern seien auf der Basis der Madrider Nahostkonferenz wieder aufgenommen worden. 1991 in Madrid hatte Israel unter Premierminister Jitzchak Schamir (Likud) dem Prinzip eines Rückzugs vom Golan für Frieden zugestimmt.

Was wurde bisher vereinbart? – Die israelischen und syrischen Vertreter sollen sich auf folgende Punkte geeinigt haben. Grundsätzlich soll ein Friedensabkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnet werden. Israel soll sich vom Golan zurückziehen, wobei der größte Teil der Höhen als Naturpark sowohl Syrern als auch Israelis visumsfrei zugänglich gemacht werden soll. Israel soll die Kontrolle über das Wasser des Jordans und des Sees Genezareth behalten und das Grenzgebiet zwischen beiden Ländern gemäß einer Ratio von 1:4 zugunsten Israels demilitarisiert werden. Auf dem Hermon soll ein Frühwarnsystem unter amerikanischer Kontrolle eingerichtet werden. Und schließlich wird Syrien seine Unterstützung von Terrorgruppen wie der Hisbollah und der Hamas einstellen und sich vom Iran distanzieren.

Strittig ist bislang die Forderung Syriens, dass Israel sich innerhalb von fünf Jahren vom Golan zurückziehen soll. Die Israelis wünschen einen Zeitraum von 15 Jahren. Auch ist bislang die amerikanische Stellung zu den Gesprächen unklar. Die Syrer bitten auch um eine Verbesserung der Beziehungen zu den USA und vor allem um die Aufhebung des US-Embargos gegen ihr Land. George W. Bush und andere westliche Regierungschefs äußerten dagegen mehr oder weniger verhohlen Skepsis im Blick auf Gespräche mit einem syrischen Präsidenten, der keinerlei Anzeichen eines Reformwillens erkennbar werden lasse.

Das Dokument soll im August 2005 erstellt und seither mehrfach aktualisiert worden sein. Ausdrücklich betont wird, dass es rechtlich keinerlei bindenden Charakter habe. So bemühte sich Premierminister Olmert auch, dem französischen Außenminister Bernard Kouchner klar zu machen, dass Israel bislang Syrien gegenüber keinerlei Verpflichtungen eingegangen sei – wobei der israelische Regierungschef bei dieser Aussage möglicherweise weniger den französischen Politiker als Adressaten im Auge hatte, als sein eigenes Wahlvolk. Während die Verhandlungen mit den Palästinensern in den Händen der israelischen Außenministerin Zippi Livni liegen, wird das Büro des Premierministers Ehud Olmert die Gespräche mit Syrien direkt führen.

Die linksliberale Tageszeitung „Ha´aretz“ begrüßte die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Syrien als gute Botschaft. Oppositionsführer Benjamin Netanjahu dagegen erklärte, die Ankündigung von Friedensverhandlungen mit Syrien, seien lediglich ein Versuch Ehud Olmerts von den Gerichtsverfahren und dem Bestechungsverdacht abzulenken. Auch die türkische Regierung muss sich übrigens gegen Korruptionsvorwürfe verteidigen. So muss das Verfassungsgericht des Landes in nächster Zeit sogar über eine Petition entscheiden, die die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) für illegal erklären möchte. Und die Schwäche des Regimes Assad ist unumstritten.

Ein Komitee in der Knesset arbeitet derweil an einem Gesetzesentwurf, der eine Volksabstimmung oder Neuwahlen zur Vorbedingung für jede weitere Landabgabe machen soll. Eine zweite Gesetzesinitiative sieht vor, dass für eine Abgabe des Golans eine Zweidrittelmehrheit in der Knesset notwendig ist. Jüngsten Umfragen zufolge sind mehr als zwei Drittel aller Israelis gegen eine Räumung des Golan, selbst wenn diese einen wahren Frieden mit Syrien bringen sollte. Die traditionellen Rechtsparteien und der konservative Likud sowie die ultra-orthodoxen Knessetabgeordneten sind gegen eine Rückgabe des Golans an Syrien, die Arbeitspartei, die linkszionistische Meretz-Partei und die drei arabischen Parteien dafür. Olmerts Kadima-Partei und die Pensionäre sind in der Frage zerstritten – was auch auf parlamentarischer Ebene eine spannende Auseinandersetzung verspricht.

Die syrisch-israelischen Verhandlungen bergen eine ganze Reihe von Problemen im Kleingedruckten. Der ehemalige UNO-Botschafter Israels, Dore Gold, kritisiert, dass Israel durch einen Rückzug auf die Linien vom 4. Juni 1967 de facto syrische Aggression rechtfertige. Er verweist darauf, dass Syrien beispielsweise die demilitarisierte Zone um El-Hama am Südende des Golan, das Gebiet um Banias im Norden und einen Streifen am Nordostende des Sees Genezareth in den 1950er Jahren illegal besetzt habe. Und Giroa Eiland, General i.R. und ehemaliger Leiter von Israels Nationalem Sicherheitsrat, sieht keine Möglichkeit zu einer Sicherheitsbalance zwischen Israel und Syrien, sollte Israel sich von den Golanhöhen zurückziehen – um nur einige Experten zu Wort kommen zu lassen.

Israelische Unterhändler haben gewiss Recht, wenn sie meinen, ein Abkommen werde nicht nur einfacher ausgehandelt als ein Abkommen mit den Palästinensern, sondern habe auch größere Chancen, erfolgreich umgesetzt zu werden. Allerdings setzt das voraus, dass Präsident Bischar el-Assad tatsächlich und auf Dauer fest im Sattel sitzt. Giroa Eiland verweist auf das Risiko, dass das Alawiten-Minderheitsregime der Familie Assad innerhalb kürzester Zeit von einer Regierung ersetzt werden könnte, die die sunnitische Mehrheit in Syrien repräsentiert – von dem niemand weiß, wie es aussehen wird. Die einzigen wirklich freien Wahlen im Nahen Osten außerhalb Israels, die Wahlen im Januar 2006 in der Palästinensischen Autonomie, haben Demokratiebefürworter weltweit im Blick auf den Orient ernüchtert. Arabische Kritiker, die behaupten, der Westen befürworte nur solange Demokratien, wie das Volk pro-westlich abstimme, mögen nicht ganz Unrecht haben.

Die syrisch-israelische Grenze ist seit mehr als 30 Jahren bereits die ruhigste Grenze im Nahen Osten. Welches Interesse sollte Israel also haben, für einen Frieden, für ein unabsehbares Risiko die strategisch in vieler Hinsicht wichtigen Golanhöhen abzugeben? Vor allem Militärkreise in Israel geben zu bedenken, dass die größte militärische Bedrohung für den jüdischen Staat heute von der „Achse des Bösen“ ausgeht, die sich von Teheran über Damaskus und den Südlibanon bis in die Palästinensische Autonomie erstreckt. Nicht nur die schiitische Hisbollah, sondern auch die sunnitischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad werden durch diesen Kanal finanziert und gesteuert. Vielleicht rechtfertigt diese Tatsache das Risiko von Verhandlungen mit Syrien. Denn selbst wenn sie im Endeffekt zum Scheitern verurteilt seien, so die Verhandlungsbefürworter, könnten sie doch so viel Misstrauen in die „Achse des Bösen“ streuen, dass das gut sei für Israel und westlichen Interessen diene.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen