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120 Jahre American Colony Hotel: Das Erbe der ersten christlichen Zionisten im Heiligen Land

„Bis 120!“ ist der traditionelle jüdische Geburtstagswunsch. Und „dass man auch mit 120 noch sehr charmant und attraktiv sein kann“, stellte Schimon Peres hoffnungsvoll fest. Einen halben Monat zuvor hatte der 81-jährige Oppositionsführer angekündigt, sich bei den anstehenden Wahlen zum achten Mal in seiner Laufbahn um den Posten des Ministerpräsidenten zu bewerben.

Die „alte Dame“, deren Geburtstag am vergangenen Dienstagabend (7.9.04) festlich begangen wurde, ist das American Colony Hotel. Zur Gästeliste des American Colony Hotel des traditionsreichsten Luxushotels in Jerusalem mit dem einzigartigen romantischen Flair, gehören Sir Winston Churchill, Laurence von Arabien, Peter O’Toole und Marc Chagall genauso wie die Kaiserin von Äthiopien. Die Wurzeln des American Colony Hotels lassen sich bis ins Amerika des 19. Jahrhunderts und die Bewegung der christlichen Fundamentalisten zurückverfolgen.

Unter dem Einfluss des Methodistenpredigers William E. Blackstone kamen 1881 der Rechtsanwalt Horatio Gates Spafford und seine Frau Anna von Chicago nach Jerusalem. 1871 hatte das große Feuer von Chicago den wohlhabenden Geschäftsmann finanziell ruiniert. Zwei Jahre später waren bei einem Schiffsunglück die vier Töchter des Ehepaars Spafford auf dem Atlantik ums Leben gekommen. Horatio hatte infolge dieser Tragödie ein Lied geschrieben, das bis heute in christlichen Kreisen gesungen wird: „Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt, ob Stürme auch drohen von fern, mein Herze im Glauben doch allezeit singt: ,Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn!'“

Mit 16 Gesinnungsgenossen ließ sich das tiefgläubige Ehepaar im muslimischen Viertel der Altstadt Jerusalems nieder, um aus nächster Nähe die Erfüllung der biblischen Prophetie, die Rückkehr des jüdischen Volkes und die Wiederkunft Jesu zu beobachten. Eine Zeitlang gingen „die Spafforditen“, die auch als „Überwinder“ bekannt wurden, täglich auf den Ölberg und erwarteten dort mit Tee und Kuchen den Messias, den sie als erste mit Erfrischungen willkommen heißen wollten.

Hauptsächlich widmeten sich „die Amerikaner“ aber der religiösen Erziehung und der humanitären Hilfe für die Einwohner des Landes. Als im Jahre 1882 Juden aus dem Jemen in Jerusalem einwanderten, wurden sie in der „American Colony“ mit Nahrungsmitteln und einer ersten Unterkunft versorgt.

1896 schlossen sich den „Spafforditen“ mehr als 100 Schweden an und bescherten der Kolonie einen wirtschaftlichen Aufschwung. Von einem reichen arabischen Pascha mieteten Horatio und Anna Spafford einen Palast, den dieser für sich und seine vier Frauen hatte bauen lassen. Später konnten sie den Gebäudekomplex käuflich erwerben. Die schwedische Schriftstellerin Selma Lagerlöff machte aus der Geschichte der amerikanischen Kolonie den Roman „Jerusalem“, für den sie mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

1902 suchte Baron Ustinov, der Besitzer des Park Hotels in Jaffa und Großvater des Schauspielers Sir Peter Ustinov, eine Unterkunft für europäische Gäste in Jerusalem – was zur Eröffnung des American Colony Hotels führte. Im Ersten Weltkrieg war der American Colony Komplex ein Zentrum des Roten Kreuzes.

Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts hatten die Nachkommen dieser ersten christlichen Zionisten dann allerdings eine inhaltliche Kehrtwendung vollzogen. Sie identifizierten sich mehr und mehr mit der arabischen Bevölkerung, die den Zionismus als Bedrohung ihrer nationalen Rechte betrachtet. Im israelischen Befreiungskrieg 1948 wurde das Hotel durch 21 Granateinschläge schwer beschädigt.

Aus Anlass des 120. Jubliäums des American Colony Hotel lobte dessen Generaldirektor Pierre Barclaz: „Die Familie Spafford kam hier her, um Gutes zu tun – und sie haben es sehr gut getan!“ Israels Tourismusminister Gideon Esra meinte: „Eine einzigartige Stadt wie Jerusalem braucht ein Hotel wie das American Colony Hotel.“

Der UNO-Sondergesandte im Nahen Osten, Terje Roed-Larsen, erinnerte an die politische Funktion dieses „Zufluchtsortes für Journalisten, Diplomaten und Politiker“. In der Suite 6 des American Colony Hotels fand 1992 das erste geheime Treffen von Israelis und Palästinensern statt, in dessen Folge das Abkommen von Oslo geschlossen wurde.

Die 93-jährige Valentine Vester, eine Enkelin von Horatio und Anna Spafford, repräsentierte die Eigentümer des Hotels bei der Feier, an der neben hochrangigen Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft auch die Spieler des israelischen Fußballpokalsiegers „Bnei Sachnin“ teilnahmen. Vester betonte die „Tradition der Gastfreundschaft“ in ihrer Familie und im Blick auf den Jahrhundertkonflikt das Motto des Hotels: „Lassen Sie hier bei uns alle Feindseligkeiten hinter sich und erholen Sie sich.“ Der palästinensische Außenminister Nabil Scha’ath war zwar angekündigt, dann aber nicht zu den Feierlichkeiten erschienen.

Im Rahmen der 120. Geburtstagsfeier des American Colony Hotels wurde eine Ausstellung mit historischen Fotografien aus der Geschichte Jerusalems eröffnet. Der israelische Tourismusminister Gideon Esra verlieh Valentine Vester einen Preis des Tourismusministeriums. Igor Ustinov, ein Sohn des kürzlich verstorbenen Schauspielers Sir Peter Ustinov, pflanzte einen 120 Jahre alten Olivenbaum als „Friedenssetzling“ im Innenhof und Terje Roed-Larsen vergrub daneben eine „Zeitkapsel“ mit aktuellen Zeitungen und anderen Gegenständen.

In zwei aufeinanderfolgenden Jahren wurde das American Colony Hotel vom Condé Nast Traveler Magazin als bestes Hotel im Nahen Osten ausgezeichnet. In jüngster Zeit wurde es als bestes Hotel Israels für den World Travel Award 2004 nominiert. Das American Colony Hotel ist Mitglied der Luxushotelkette Relais & Châteaux und gehört zur J. Gauer Hotel Group.

Webseite: www.americancolony.com
(Foto: J. Gerloff)

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